Gelungene Premiere im Theater im Nordpark
Mit „Heute weder Hamlet“ startet das Theater im Nordpark die Saison erfolgreich.
Mönchengladbach. Die Zuschauer wissen Bescheid: Der Mann, der die Vorstellung Hamlet absagt, gehört zum Stück. Nur Ingo Sassmann scheint überrascht.
Matthias Oelrich gibt den Vorhangzieher, dem plötzlich und unerwartet die Aufmerksamkeit des Saales gilt, in jedem Augenblick 100-prozentig überzeugend. Wie er anfangs mit einzelnen Worten versucht, sie zum Gehen zu bewegen, unvollständige Sätze abgehackt stammelt.
Und erst allmählich anfängt, von seinem Job zu erzählen: "Ich bin der Vorhang" - seine unsichtbare Rolle, die gar nicht wirklich wahrgenommen wird, ein winziges Rädchen im Getriebe der Illusions-Maschine.
Es ist zum Lachen, wie er darum kämpft, wahrgenommen zu werden, indem er versucht, dem Vorhang eine individuelle Seele zu geben, Doch schon als er erzählt, auf wie viele verschiedene Arten sich die Bühnenkünstler ihren Applaus beim "Vorhang" abholen, erkennt man sein, Sassmanns, eigenes Talent.
Sassmann war mal Schauspieler. Einer, der sich aussuchen konnte, aus welchem Material der scheinbare Totenschädel ist, zu dem Hamlet spricht. Einer, dessen Geliebte - die Ophelia-Darstellerin - um seinetwillen das Engagement wechselte. "aus Liebe."
Einer, dessen Stern stetig stieg. Bis, ja bis Sassmann über ein Gebiss stolpert, dessen Träger zu wenig Geld in gutes Haftpulver investiert hat - weswegen er es verliert.
"’81, beim Raub der Sabinerinnen in Bruchsal", war das. "Stellen Sie sich vor, Ihr Chef ..." Sassmann spielt vor, was da passiert ist. Der eitle, sächselnde Intendant, der sein Gebiss verliert. Das Gebiss, dass sich mit tragischem Zwischenstopp auf Sassmanns Ferse bis in die peinliche Zone vor dem Vorhang vorklappert. Der Inspizient, der es wieder einfängt, sie alle werden lebendig und sind so komisch. Nur leider nicht lustig.
Sassmann verliert Job und später auch seine Frau. Aber er hält fest. Am Theater, am Beruf. Am Leben. Eine Stunde vierzig Minuten fesselt Oelrich die Zuschauer und bekommt begeisterten Applaus, der leider nicht donnernd klingt, denn der kleine Saal des Tin - der dreimal so groß ist wie das Studio im Theater - ist nicht voll.
Wobei die Zuschauer die bequemen Stühle und den auch auf langbeinige ausgelegten Abstand der Reihen genießen.