Gülistan Yüksel, SPD

Gülistan — wer? Es war eine Überraschung, als die schwarzhaarige Frau erstmals eine öffentliche Bühne betrat. 1995 war das, nachdem sie für den Ausländerbeirat kandidiert hatte.

Weil damals niemand eine unbekannte Frau auf die Bewerberliste setzen wollte, trat sie als Einzelkandidatin an. Sie holte so viele Stimmen, dass es für drei Sitze gereicht hätte — und war doch ganz alleine. Zwei Jahre später war sie Vorsitzende des Gremiums, setzte sich 2004 auch gegen konservative Strömungen im Beirat durch. Zu dieser Zeit stellte niemand mehr die Frage: Gülistan — wer? Sie war da längst SPD-Mitglied, seit 2002 Ratsmitglied, und es gab Stimmen in der SPD, die ihr eine politische Karriere prophezeiten. Unter anderem deshalb, weil sie keinen stromlinienförmigen Lebenslauf hat. 1962 in Adana (Türkei) geboren, kam sie als Achtjährige nach Deutschland und bezog mit der Familie eine Wohnung an der Dorfstraße in Mülfort. Der Vater arbeitete in Gladbacher Unternehmen, die Mutter betrieb einen kleinen Lebensmittelladen. „Mit dem Vater holte ich frühmorgens Gemüse vom Großmarkt, anschließend ging ich zur Schule“, erzählt sie. Als der Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, war sie als 18-Jährige die Älteste von acht Kindern und musste mit dafür sorgen, dass die Familie über die Runden kam. Ihren Berufstraum Apothekerin gab sie damals auf, stattdessen machte sie eine Ausbildung zur Apothekenhelferin. Und noch ein Bruch in der Vita: Nachdem sie ihren Mann Hüseyin 1984 in der Türkei geheiratet hatte, wollten beide zunächst dort bleiben, weil sein Diplom als Maschinenbau-Ingenieur in Deutschland nicht anerkannt wurde. Doch Gülistan Yüksel drängte auf Rückkehr: Deutschland und Mönchengladbach waren für sie längst zur Heimat geworden. Hier baute sich die Familie eine Existenz als Taxi-Unternehmer auf. Das ist geradezu eine mustergültige Lebensgeschichte für die sozialdemokratische Seele. Als es darum ging, einen Bundestagskandidaten zu finden, schlug die Stunde der SPD-Parteistrategen. Gegen zwei andere Bewerber setzten sie die heute 55-jährige Yüksel durch — als Frau mit Migrationshintergrund hatte sie die besten Chancen auf einen vorderen Platz auf der NRW-Liste. Die Rechnung ging auf. Sie bekam 2013 Platz zwölf, und der zog. Diesen Platz hat sie auch 2017 inne. Er ist für sie realistischerweise die einzige Möglichkeit, Bundestagsabgeordnete zu bleiben, weil sie kaum auf direktem Weg gewinnen wird. Als Politikerin ist Yüksel, inzwischen Chefin der Gladbacher SPD, der Typ Kümmerin, Vermittlerin, Menschenfischerin. Sie arbeitet in Berlin im Familienausschuss, ist stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss. Yüksel agiert im Hintergrund, gilt als gewissenhaft und verlässlich, kann Konflikte lösen. Eine Lautsprecherin war sie jedoch nie. Sie müsse offensiver werden — dies wird nicht nur parteiintern gefordert. web