Kölner Stunksitzung führt das Beste aus 30 Jahren auf
Die Gruppe begeisterte die Zuschauer im Rheydter Konzertsaal des Theaters.
Mönchengladbach. Ja, auch die Fußballnarren bekamen ihr Fett weg. Das kann gar nicht anders sein, wenn „das dreckige Dutzend“ der Kölner Stunksitzung in der „Heimatstadt der Fohlen“ ein Gastspiel gibt. Wenn die zwölf auch sonst kräftig und ohne Ansehen jedweder Person nach Herzenslust kräftig austeilen — die Fans der Borussia im ausverkauften Konzertsaal des Theaters mochte Moderator Reiner Rübhausen lieber nicht vergrätzen.
„Unseren Segen hat die Borussia, die ja jetzt schärfster Verfolger der Bayern ist“, sagte der Moderator. Er gab allerdings im selben Atemzug zu: „Die Freundschaft zwischen Gladbach und Köln ließe sich noch ausbauen.“ In einer Szene mit wild drapierten 1. FC-Ultras und einer Psychologin als Fanbeauftragte zog die bunte Truppe dann lieber gegen Leverkusen vom Leder. Am Ende sucht Fan Dieter den Kompromiss, nachdem ihn die Fanbeauftragte sanft gerüffelt hat, und sagt: „Na gut, keine Gewalt also — sonst gibt’s was auf die Fresse!“
Das Fußball-Szenario war freilich nur eines von vielen, die die „Stunker“ aus der Domstadt den Mönchengladbachern mitbrachten. Diese Kabarett-Truppe, die 1984 als Alternative zum jecken Normalo-Karneval entstanden war, hatte in ihren Anfängen bereits frech „Rosinen aus dem Erbrochenen des organisierten Frohsinns“ präsentiert. Aus diesen 30 Jahren boten die zwölf Kabarettisten, darunter eine hochprofessionell aufgestellte vierköpfige Band, nun ein gemischtes „Best-of“ auf ihrer „Rosinen-Tour“.
Da war aber nichts Verstaubtes dabei, im Gegenteil: Hochaktuell die Einlage der neun steppenden Waffenhändler, die sich unbändig freuen, dass Deutschland nun Waffen in den Irak schickt. Auch der Untergang der FDP, die offenbar von der AFD als Shootingstar abgelöst wird, wurde süffisant vermerkt. Abhilfe könnte die Umbenennung in AFDP schaffen, schlug Rübhausen vor.
Die Meditationswelle spülte einen hochneurotischen Hektiker auf die Bühne, der Zen als „Zack-Zack“-Angebot sowie erotisches Tantra-Yoga verkaufte. In einem Song wurde sorgenvoll vor dem Anrücken der Veganer gewarnt und das von ihnen bedrohte „Zigeunerschnitzel“ auf die Melodie des alten Hits „Zigeunerjunge“ von Alexandra besungen.
Highlights waren der Aufzug des „Karnevalsvereins der löstigen Wutbürger 2013“, der das Lieberberg-Musikfestival gern ins Braunkohlegebiet bei Wanlo verlegen würde, und die „Eine-Welt-Gruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Wickrath“, die mit Orff-Instrumentarium und herziger Naivität Ovationen im Publikum auslöste. Später ließen sich die Besucher zum aktiven „Wutschunkeln“ überreden.
„Physiklehrer Bernd Bach vom Math.-Nat. Gymnasium“ träumte sich mit dem Sinatra-Song „My Way“ in eine halbseidene Sado-Maso-Welt hinein: „Tu mir im Mai weh“, flehte er die imaginäre Domina an. Bissig schön auch die Parodie des verstorbenen Literatur-Papstes Marcel Reich-Ranicki, der sich als Bewunderer der Kölner Karnevalistin Trude Herr outet. Und am Ende hatten die Stunker ihr Publikum so weit, dass tatsächlich viele Mönchengladbacher den Refrain „Kölle Alaaf!“ mitsangen.
So weit, so schön — einige Geschmacklosigkeiten („Nackt-Putzen“, „In der Gammelfleischerei“, Flüchtlinge) haben wir nachsichtig wieder aus der Erinnerung verdrängt. Aber alle herausgepickten Rosinen dieser Stunksitzung sollten wohl auch gar nicht jedem munden!