CDU-Parteitag Knappe Mehrheit für OB-Kandidat Boss

Mönchengladbach. · Der Landtagsabgeordnete Frank Boss setzte sich gegen Bürgermeisterin Petra Heinen-Dauber durch und wird OB-Kanditat der CDU. Die Wahl war denkbar knapp: Er erhielt 52,5 Prozent der Stimmen.

Die Unterlegene gratuliert dem Sieger: Frank Boss, Landtagsabgeordneter und Fraktionsgeschäftsführer beim Landschaftsverband, erhielt bei der Abstimmung zur OB-Kandidatur auf dem CDU-Parteitag nur 18 Stimmen mehr als Petra Heinen-Dauber, Bürgermeisterin und Rechtsanwältin.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Bürgermeisterin Petra Heinen-Dauber gehört zu den Ersten, die Frank Boss gratulieren. Eine Geste des Respekts. Und der Größe. Denn die 55-jährige Rechtsanwältin  ist dem 58-jährigen Landtagsabgeordneten beim CDU-Parteitag mit nur 18 Stimmen Abstand bei der Nominierung für die Oberbürgermeister-Wahl unterlegen.

Beide haben harte Wochen hinter sich, hatten bis zur letzten Minute mit ihren Unterstützerlagern mobilisiert, um parteiinterne Wähler geworben, manches neue Parteimitglied angeworben und klargemacht, wie wichtig es ist, an diesem Samstagmorgen tatsächlich zur Kreismitgliederversammlung in die Stadthalle im Rheydter Theater zu kommen und abzustimmen. Mit Erfolg: 390 stimmberechtigte Mitglieder zählt Sitzungsleiter Detlef Irmen kurz vor Eröffnung des Wahlgangs. Das ist viel verglichen mit anderen Aufstellungsparteitagen. Und als das Duell längst entschieden ist, es später um die Kandidaten für die 33 Kommunalwahlkreise und die Reserveliste für den Stadtrat geht, nehmen bereits 90 Parteimitglieder weniger an den Abstimmungen teil. Es ist klar: Der Zweikampf hat mobilisiert – und polarisiert. Das zeigt sich auch an der hauchdünnen Mehrheit für Boss: 52,2 Prozent zu 47,5 Prozent.

„Ich freue mich riesig darüber, dass die Partei mir das Vertrauen ausgesprochen hat“, sagt Boss dennoch zuversichtlich. Er empfinde Demut, weil ihm bewusst sei, „welche Verantwortung ich gegenüber den Bürgern und dieser Stadt trage“. Nun gehe es darum, anzupacken mit dem Ziel, den OB zu stellen. „Wir haben sehr gute Chancen.“  Im Fall eines Siegs bei der OB-Wahl müsste Boss sein Landtagsmandat abgeben. Ironie des Schicksals: Als es 2016 um die Nominierung für die Landtagswahl ging, trafen Petra Heinen-Dauber und Frank Boss schon einmal bei einer Kampfkandidatur aufeinander. Sie unterlag, Boss siegte 2017 im Wahlkreis  gegen den erfahrenen Landespolitiker Hans-Willi Körfges (SPD). Heinen-Dauber zeigt sich nach der erneuten Niederlage gegen Boss selbstbewusst: „Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe.“ Nun stehe Geschlossenheit an erster Stelle. „Ich möchte Mönchengladbach nach vorne treiben und werde als Ratsfrau weiter dafür kämpfen.“

Beide hatten sich vor der Abstimmung den Mitgliedern mit Reden präsentiert, die viele als gleich stark empfanden, die sich aber doch deutlich unterschieden. Boss wählt die traditionelle Form am Rednerpult, Heinen-Dauber setzt auf ein modernes Format mit Kopfmikrofon und Redemanuskript auf dem Laptop, startet im Publikum und bewegt sich frei auf der Bühne.

Sie betont die Bedeutung einer „wachsenden, dynamischen Stadt“ und richtet den Fokus auf die dafür im Rathaus unter Federführung des Stadtdirektors Gregor Bonin eingeleitete Strategie „MG +“. Dabei gehe es nicht nur um Bauen, betont Heinen-Dauber, sondern auch um mehr Grün, eine bürgernahe Stadtverwaltung, das soziale Miteinander und Anreize für digitale Start-ups. Wichtig sei digitale Bildung an Schulen, betont die Odenkirchenerin. „Jeder Schüler hat Fähigkeiten, die in Mönchengladbach nötig sind.“ Es könne nicht sein, dass Schulen schlechter mit Computern ausgestattet seien als die meisten Privathaushalte.

Boss setzt auf Sicherheit (will er zur Chefsache machen), soziale Marktwirtschaft und Heimat. Er spricht sich für stärkere Präsenz des Kommunalen Ordnungsdienstes in den Randbezirken aus, sagt Angsträumen, Dealern vor Schulen und Extremisten den Kampf an. Der Giesenkirchener betont die Chancen der Digitalisierung, warnt aber auch vor den Herausforderungen. Man dürfe Arbeitnehmer im Strukturwandel nicht alleine lassen. „Der Kompass der CDU ist die christliche Soziallehre.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass Mönchengladbach in Sozialstatistiken stets hintere Plätze belege. Boss fordert die Stärkung des Handwerks, bezahlbaren Wohnraum und ein besseres Miteinander in der Stadt. „MG+“ erwähnt er nicht. Diese Strategie diene der städtebaulichen Entwicklung, sagt er später. „Wir dürfen den dahinter stehenden Effizienz-Gedanken aber nicht über alles stülpen.“ Bei Sozialem und Kultur etwa sei das ausgeschlossen.

Beide bekommen immer wieder Zwischenapplaus, bei Heinen-Dauber klingt er etwas lauter. Doch es ist Boss, der schließlich das Rennen macht. Danach sind enttäuschte Gesichter zu sehen: CDU-Fraktionschef Hans Peter Schlegelmilch, die planungspolitische Sprecherin der Ratsfraktion, Annette Bonin, viele Mitglieder der Jungen Union, allen voran ihr Vorsitzender Simon Schmitz. „So schade“, sagt eine ältere Parteifreundin aus Odenkirchen zu Heinen-Dauber. „Aber so bleibst du uns wenigstens erhalten.“ Auf der anderen Seite können die Unterstützer von Boss – sein Landtagskollege Jochen Klenner, Ratsherr Dieter Breymann und manch anderer alter Weggefährte – die Freude über den Triumph nicht verbergen. Viele gratulieren Boss herzlich, einige aber auch halbherzig.

Es ist hart für den jeweiligen Favoriten gekämpft worden, auch tiefe Wunden wurden in den vergangenen Wochen geschlagen. Am Vortag und noch am frühen Morgen vor Beginn des Parteitags hatte es hinter den Kulissen Aussprachen, Mahnungen und diplomatische Ansagen gegeben, damit der Streit nicht noch offener ausbricht. „Eine Partei, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigt, bekommt nicht die Zustimmung der Wähler“, mahnt Parteichef Günter Krings in seiner Begrüßungsrede. Schon einmal habe die CDU in Mönchengladbach deshalb eine Wahl verloren. „Aus diesen Fehlern haben wir gelernt.“ Man müsse an einem Strang und in eine Richtung ziehen, persönliche Eitelkeiten zurückstellen, um geschlossen in den Kommunalwahlkampf zu gehen.

Die Worte scheinen zu wirken. Denn nach der Entscheidung geht man lagerübergreifend ein Stück aufeinander zu. „Ich glaube, dass wir uns sehr geschlossen hinter das Ergebnis der heutigen Entscheidung stellen“, sagt Schlegelmilch. Die hohe Beteiligung sei beispiellos, das Ergebnis knapp. „Wir hatten zwei starke Kandidaten, die sich engagieren.“ Es gehe vor allem um Gestaltungskraft nach der Kommunalwahl. Denn dass das Rathaus Abtei weiter von der CDU regiert werden muss, steht für Schlegelmilch außer Frage. Ähnlich sieht es Krings: „Wir haben zwar starke Mitbewerber, aber gute Chancen, den nächsten OB zu stellen.“ Boss trifft im OB-Wahlkampf unter anderen auf SPD-Fraktionschef Felix Heinrichs, Boris Wolkowski (Grüne), Sebastian Merkens (Linke) und vermutlich FDP-Fraktionschefin Nicole Finger.

Bei den anschließenden Wahlen der Direktkandidaten in den 33 Kommunalwahlkreisen auf dem CDU-Parteitag fällt zwar niemand durch, doch die Zahl der Nein-Stimmen spiegelt den Unmut über einzelne Akteure in den Konflikten wider: Die meisten Nein-Stimmen, nämlich 73, erhält Dieter Breymann, der in Pesch antritt. Er hat mit 69,8 Prozent auch das schlechteste Ergebnis. Es folgen Klaus Oberem (44 Nein-Stimmen, Dorfbroich/ Hövel), Annette Bonin (31 Nein, Bunter Garten/ Windberg-Nord/ Großheide) und Hans Peter Schlegelmilch (25 Nein, Hermges/ Dahl/ Ohler). Das beste Ergebnis holt mit 98,7 Prozent und nur drei Nein-Stimmen Robert Baues (Bettrath-Hoven), das zweitbeste mit 98,3 Prozent und vier Nein-Stimmen der 25-jährige Lukas Joeckel (Hohenberg/ Lermenches/ Grenzlandstadion), der zum ersten Mal für den Stadtrat antritt.