Geschichte in Mönchengladbach Wie räuberisch war die Burg Rheydt?

Rheydt. · gastbeitrag In der Heimatgeschichte wird die Burg Rheydt als ehemaliges Raubschloss beschrieben und ihre Zerstörung als Folge der Raublust und Wegelagerei ihrer Herren gesehen. Doch stimmt das auch?

Das Nachtturnier der Ritter Spiele an Schloss Rheydt.

Foto: Reichartz,Hans-Peter (hpr)/Reichartz, Hans-Peter (hpr)

Das Image der Burg Rheydt als Raubritterburg ist vor allem Gerhard II. von Rheydt (1386-1444) zuzuschreiben. In den Akten des Erzstifts und der Städte Köln und Aachen taucht er immer wieder als Fehderitter auf, der mit Raub, Brand, Plünderungen und Gefangennahmen großen Schaden anrichtet. Im Jahre 1412 wird Gerhard in Glessen bei Brauweiler von Söldnern der Stadt Köln ohne Fehdeansage mit seinen Begleitern in ein Straßengefecht gezogen. Gerhard fordert Schadenersatz von der Stadt und beginnt infolge, unablässig Kölner Kaufleute auf den Straßen zu berauben und festzusetzen. Gerhard scheint im Fehdefall in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich gewesen zu sein. Er scheut auch nicht davor zurück, unbeteiligte Personen in Haft zu nehmen.

Der Rektor der Universität von Köln richtet im Dezember 1434 einen Brief an den Erzbischof. Er klagt über die Gefangennahme eines Klerikers seiner Universität durch Gerhard von Rheydt. Dessen Knechte hätten diesen vor den Toren Maastrichts ergriffen und nach Schloss Rheydt verschleppt, wo er seit zwei Monaten im Burgkerker sitze. Dieser habe aber mit dem Streit, den Gerhard mit dem Herzog von Brabant zurzeit führe, nichts zu tun. Ein Aachener Stadtbrief des Jahres 1436 berichtet von Plünderungen durch Gerhard von Rheydt und Adam Hund von dem Busch im Dorf Elchenrath bei Würselen, die Tote und Verletzte zur Folge haben. Die Stadt Aachen bittet den Herzog von Jülich um Hilfe, der die von beiden angedrohte Wiederkehr aus seinem Gebiet unterbinden solle. Gerhards Fehden und Raubzüge enden mit dem Überfall auf einen Kölner Kaufmannszug mit wertvollen Tuchladungen. Die Stadt Köln fordert von Gerhard die Herausgabe der Waren und Schadenersatz. Einige Mitstreiter Gerhards begleichen ihren Anteil an der Beute und bekennen, man habe die Geschädigten irrtümlich für Kaufleute der Stadt Aachen gehalten, mit der man in Fehde gelegen habe. Gerhard jedoch weigert sich trotz dreimaliger Aufforderung, vor Gericht in Köln zu erscheinen. Nichts Gutes ahnend stiftet er für die Rheydter Kirche 23 Pfund Öl aus der Eickes Mühle für das ewige Licht. König Friedrich III. verhängt schließlich im Jahre 1443 auf Bitten der Stadt Köln über Gerhard von Rheydt die Reichsacht.

War Gerhard ein Raubritter?

Die Gewalttaten Gerhards scheinen seine Kennzeichnung als Raubritter zu rechtfertigen. Zieht man jedoch zeitgenössische Quellen heran, erkennt man, dass sich das Vorgehen Gerhards nicht von dem Verhalten anderer Standesgenossen unterscheidet. Das „Beutemachen“ als Schadenstiften war Teil des mittelalterlichen Rechtsstreits und des ritterlichen Lebens. Die Leidtragenden waren vor allem umherziehende Kaufleute und die Landbevölkerung, an denen sich die Streitparteien schadlos hielten.

Gerhard gehörte als Amtmann des Erzbischofs auf dessen Landesburgen Lechenich und Oedt und als Rat des Grafen Adolf von Kleve zum Kreis der angesehenen Gefolgsleute der niederrheinischen Landesherren. Als armer Ritter oder beutegieriger Wegelagerer ist er jedenfalls nicht zu sehen. Man kann davon ausgehen, dass sich hinter den Fehden Gerhards komplexe Rechtsstreitigkeiten und Konflikte verbergen, die sich heute nicht mehr erschließen lassen. Sicherlich ist ihm aber seine mangelnde Kompromissbereitschaft anzulasten.

Die Zerstörung der Burg
durch die Lütticher Städte

Die Zerstörung der Burg Rheydt ist mit dem Namen Johann von Arendal, Herr zu Well, verbunden. Als Rat und oberster Amtmann (Drost) des Herzogs von Geldern gehörte er zu den Führenden des geldrischen Landes. Als Ehemann von Beatrix von Rheydt, der Tochter Gerhards II. von Rheydt, wird er 1454 mit der Herrschaft Rheydt belehnt. Als streitender und raubender Ritter tritt Johann in zeitgenössischen Urkunden nicht hervor. Umso überraschender ist, was die Kölner und Lütticher Chroniken für das Jahr 1464 mitteilen. Sie berichten übereinstimmend, dass Johann einen wohlhabenden Bürger aus dem Lütticher Land und seinen Sohn auf seiner Burg Rheydt festhielt und hohes Lösegeld von der Stadt Lüttich forderte. Der empörte Stadtrat verlangt die Herausgabe der Gefangenen und rüstet ein großes Heer zu deren Befreiung. Die Lütticher Chronik nennt (vermutlich übertrieben) 15 000 Fußsoldaten, 1600 Reiter und 50 Wagenladungen mit Handfeuerwaffen sowie 100 Wagen mit Proviant. Johann eilt nach Lüttich und versucht vergebens, durch Freilassung der Gefangenen das Unheil zu wenden. Die zurückgelassene Burgmannschaft von 130 Mann gibt angesichts der Übermacht und der Feuerkraft der Lütticher Geschütze unter Zusicherung eines freien Abzugs das Schloss auf. Nur die beiden Entführer werden hingerichtet. Die Burg wird nach zweitägiger Plünderung dem Erdboden gleichgemacht. Der herbeigeeilte und mit den Lüttichern verbündete Kölner Erzbischof Ruprecht von der Pfalz dankt den Bezwingern für die Niederwerfung des Raubschlosses, wohl in der Freude, einen Unruheherd an seiner Bistumsgrenze los zu sein.

Die Zerstörung der Burg Rheydt lässt Bürgermeister Raes van Heers in Lüttich pompös wie eine gewonnene Schlacht feiern. Politisch und militärisch gestärkt vertreibt er den Fürstbischof aus seinem Amt. Nach Johann von Arendal gelangt die Herrschaft Rheydt durch seine Tochter Johanna an Heinrich von Bylandt. Der Wiederaufbau des Schlosses wird von Otto von Bylandt vollendet, der das Schloss Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer bastionierten, repräsentativen Anlage ausbauen lässt. Sie ist heute das besterhaltene Renaissance-Schloss am Niederrhein.