Prozess in Mönchengladbach Ehepaar muss nach Betrug mit „krankem“ Kind vor Gericht
Mönchengladbach. · Ab 2. September steht der Mann vor Gericht, der vor zweieinhalb Jahren Spenden für seine angeblich todkranke Tochter Amelie sammelte. Mehr als 25.000 Euro soll er ergaunert haben und sich davon teure Dinge geleistet haben.
Das angebliche Schicksal der kleinen Amelie bewegte viele Menschen. Unter Tränen hatte ihr Vater im Internet von der seltenen Leukämie-Krankheit seiner kleinen Tochter berichtet. Sie werde sterben, sagte er. Einzige Überlebenschance sei eine Therapie, die aber von den deutschen Krankenkassen nicht bezahlt werde und die 15 000 Euro kosten solle. Im Internet zeigte er ein Bild des süßen Mädchens mit der Überschrift „Papa hilft Dir!“.
Viele waren gerührt und wollten helfen. Kindergärten, Vereine, Bankgemeinschaften und Einzelpersonen spendeten. Was sie da noch nicht wussten: Der Mann hat zwar eine Tochter Amelie aus einer früheren Beziehung, aber die ist kerngesund und lebt mit ihrer Mutter, die nichts von der Spendenaktion wusste, in einer ganz anderen Stadt. Und das Geld wurde auch nicht für eine Therapie des kleinen Mädchen gesammelt. Holger B. und seine Ehefrau sollen es für sich verwendet haben: für ein neues Auto, den Kauf einer Drohne, ein aufwendiges Tattoo. Ab 2. September steht das Ehepaar vor Gericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach lautet: gewerbsmäßiger gemeinschaftlicher Betrug und Urkundenfälschung. 25 677,99 Euro sollen sich die beiden mit dieser Masche ergaunert haben. Also noch viel mehr, als die ursprünglich avisierten 15 000 Euro. Laut Anklage wurden mehr als 200 Menschen betrogen. Außerdem soll Holger B. eine Patientenbescheinigung der Uni-Klinik Aachen, in der seine Tochter angeblich um ihr Leben kämpfte, gefälscht haben.
Polizei erhielt bereits im November 2017 einen Hinweis
Auch in Mönchengladbach hatte der Vater im Bekannten- und Freundeskreis von dem „Schicksal“ seiner kleinen Tochter erzählt. Fast immer flossen Tränen, wenn er von Krankenhausbesuchen, dem immer schlechter werdenden Gesundheitszustand des Mädchens und den nur geringen Aussichten auf Genesung berichtete. Auf den Gedanken, dass alles nur Lug und Trug sein könnte, kamen nur wenige Menschen. „Er hat das wirklich alles glaubhaft gemacht“, berichteten Spender. Sie hatten sogar andere animiert, ebenfalls für das Mädchen zu spenden. Als der Schwindel aufflog, waren sie nicht nur entsetzt, dass ein Vater mit einer solch perfiden Masche Geld einheimst. Sie hatten auch ein schlechtes Gewissen, weil sie „dazu beigetragen hatten, dass noch mehr Menschen betrogen wurden“. Die Polizei hätte dem Ganzen ein früheres Ende setzen können. Denn sie hatte bereits im November 2017 einen Hinweis erhalten, dass mit der Spendensammlung etwas nicht stimmt. Eine Frau hatte bezweifelt, dass der Vater tatsächlich eine Tochter mit diesem Namen und dieser Erkrankung habe. Die Polizei hatte den damals 41-Jährigen sogar vorgeladen. Dabei soll er die gefälschte Bestätigung der Klinik vorgelegt haben, dass sich das Kind dort in Behandlung befinde. Der Polizei und der Staatsanwaltschaft schien das damals wohl auszureichen.
Die Ermittlungen wurden eingestellt, obwohl bereits die Überschrift der angeblichen Patientenbescheinigung einen dicken Rechtschreibfehler aufwies. Offenbar hatte auch niemand in der Uni-Klinik Aachen angerufen. Sonst hätte sich sofort geklärt: In dem Krankenhaus wurde keine Amelie behandelt. Der Schwindel flog erst auf, als der Uni-Klinik im April 2018 eine gefälschte Patientenbescheinigung zugespielt wurde, die von dort aus weiter an die Polizei geleitet wurde.