Proteste in Istanbul: Türken in Gladbach sind besorgt

Viele der 7000 Türken, die in der Stadt leben, haben Angst um die Freiheit in ihrem Heimatland.

Mönchengladbach. Vor einigen Wochen haben in der Türkei Proteste gegen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan begonnen. Seitdem werden Demonstrationen von der Polizei aufgelöst. Die Regierung droht mit dem Einsatz der Armee. Zuletzt wurde ein Camp von Protestlern im Istanbuler Gezi-Park gewaltsam geräumt.

An diesem Park hatte sich der Aufruhr entzündet: Dort soll unter anderem ein Einkaufszentrum gebaut werden. Nun ist die Türkei 2000 Kilometer von Mönchengladbach entfernt — es leben aber immerhin mehr als 7000 türkische Staatsbürger in der Stadt. Die WZ hat bei einigen von ihnen nachgefragt, wie sie die Situation bewerten.

Gülistan Yüksel blickt besorgt auf Berichte, die sie im Internet und in der Zeitung liest. „Die Gewalt passt nicht zur Türkei. Gerade nicht zu Istanbul — dieser Stadt, die von der modernen Jugend geprägt ist“, sagt die gebürtige Türkin, die für die Mönchengladbacher SPD in den Bundestagswahlkampf zieht. Ihr Onkel lebt in Istanbul. Bisher hat sie ihn nicht erreicht. Sorgen macht sie sich aber nicht: „Er ist sicher auf der Arbeit, wenn ich anrufe“, sagt sie. Trotzdem seien die Umstände „sehr bedrückend“. Die europäische Politik müsse in einen Dialog mit der türkischen Regierung eintreten, um die Lage zu beruhigen.

Kaum zu beruhigen ist hingegen Inan Cetin. Der stellvertretende Vorsitzende des Alevitischen Vereins wird in seiner Angst um die Heimat deutlich: „Erdogan hat zwei Gesichter. Was wir jetzt sehen, ist sein wahres — er möchte eine Diktatur“, sagt Cetin. Erst vor drei Wochen war er in der Türkei, hat dort Proteste miterlebt. „Wenn es so weitergeht, wird es noch schlimmer in Sachen Freiheit“, befürchtet er. Um zu protestieren, wird der Verein am Samstag mit 150 Mitgliedern zu einer zentralen Demo nach Köln fahren. In Mönchengladbach soll es laut Cetin keine Proteste geben.

Schockiert über die neue Entwicklung in der Regierung Erdogan ist auch der Chirurg und Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins Bünyamin Basibüyük. „Durch die gute wirtschaftliche Entwicklung der Türkei glaubt Erdogan anscheinend, dass er jetzt genug Macht hat, um sich durchsetzen zu können“, sagt der Arzt. Zwei bis drei Mal in der Woche telefoniert Basibüyük mit seinen Verwandten in Istanbul.

Seine Neffen haben Angst, von der Polizei abgeholt zu werden, wenn sie sich bei Demos aufhalten. Die Proteste seien friedlich gewesen, bis die Polizei sie mit Tränengas beendet habe, berichteten die Verwandten. Basibüyük rechnet nicht mit einer schnellen Entspannung der Lage.

Nachvollziehen können den Aufruhr nicht alle. „Ich weiß nicht, was die Leute wollen. In einem Park soll gebaut und die Umgebung verschönert werden, und dann wird demonstriert“, so Serdar Özdin, stellvertretender Vorsitzender des Türkischen Elternvereins. Er vermutet tieferliegende Gründe im Aufbegehren. Der Elternverein werde bei Demonstrationen in Deutschland nicht als geschlossene Gruppe mitmachen, sagt er. Özdin hat Verwandte in den Städten Izmir und Kayseri, die mehrere hundert Kilometer von Istanbul entfernt sind. Dort gebe es kaum Protest, sagt Özdin.