Rheydter Innenstadt ist nun ein Denkmal

Stadt und LVR haben den Denkmalbereich festgelegt, die Bezirksregierung hat ihn genehmigt. Das hat auch Folgen für die Hauseigentümer.

Foto: Stadt/Ilgner/Stadtarchiv

Das Foto aus der Nachkriegszeit löst auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Beklemmung aus: Es zeigt das Rheydter Rathaus, außerdem Schuttberge und zerbombte Häuser. Die Innenstadt Rheydts war zu 90 Prozent zerstört. Heute stehen hier fast überall typische 1950er-Jahre-Bauten — verputzt, angestrichen, mit klar strukturierten Fensterreihen, zweckmäßig, aber im klassischen Sinne nicht unbedingt schön. Wer schnuckelige Fachwerkhäuschen oder prachtvolle Jugendstilvillen mag, sucht vergebens.

Foto: Stadt/Ilgner/Stadtarchiv

Und doch ist Rheydt jetzt ein Denkmal. Oder genauer: Die Art und Weise, wie Rheydt nach dem Weltkrieg neu aufgebaut wurde, ist nach Meinung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) denkmalwürdig. LVR und Stadt haben den Denkmalbereich festgelegt, die Bezirksregierung hat ihn genehmigt: Er erstreckt sich zwischen Limitenstraße, Gartenstraße, Hauptstraße, Friedrich-Ebert-Straße und Stresemannstraße.

Foto: Stadt/Ilgner/Stadtarchiv

Das hat Folgen: Hauseigentümer müssen ab jetzt alle baulichen Veränderungen — dazu gehört ein neuer Anstrich ebenso wie neue Fensterrahmen oder Neuerungen an der Hausfassade — der Stadt vorlegen: Nur mit deren Erlaubnis darf dann etwas verändert werden. Auch die Geschäftsleute dürfen Werbebanner und -tafeln nur aufstellen, wenn sie den Richtlinien der bereits eingeführten Werbe- und Gestaltungssatzung entsprechen.

Foto: Stadt/Ilgner/Stadtarchiv

Eine Denkmalbereichssatzung ist im Prinzip nichts Außergewöhnliches. In Potsdam gibt es eine, in Düsseldorf, in Monheim, in Soest. Mit ihr soll verhindert werden, dass in die Struktur eines bestimmten Gebiets baulich so eingegriffen wird, dass es seinen Charakter verliert. Dass aber das ehemalige Straßendorf Rheydt mit dem 1950er-Jahre-Stil im Zentrum denkmalwürdig ist, überrascht viele. Aber: Die Architektur der Nachkriegszeit gibt es in dieser Komplexität nur noch in Frankfurt und Kassel. Hier reiht sich jetzt Rheydt ein.

Der Stadtplaner Prof. Kunibert Wachten, der mit Bürgern das Innenstadtkonzept entwickelt hat, war von der Architektur sehr angetan. Die LVR-Denkmalexpertin Dr. Elke Janßen-Schnabel war sogar regelrecht begeistert. „Das ist von hochwertiger architektonischer Qualität. Sie können auf das architektonische Gesicht von Rheydt stolz sein“, sagte sie 2013 bei einer Bürgeranhörung.

Es war der Stadtplaner Alfons Leitl (1909 bis 1975), ein ehemaliger Architektur-Journalist, der Rheydt nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges neu entstehen ließ. Er entwickelte einen Generalbebauungsplan, nach dessen Vorgaben von 1947 bis in die 1960er Jahre hinein das Stadtbild im Zentrum geprägt wurde. Der Leitl-Plan ordnete mit klaren Linien und Straßenachsen nicht nur den Wiederaufbau in Rheydt, sondern nahm in NRW auch eine Vorreiterrolle ein und mündete in das damalige Wiederaufbaugesetz.

Leitl setzte in der Architektur auf eine streng geometrische Anordnung. Sie ist an der Hauptstraße gut zu erkennen: Die vor- und zurückspringende Häuserzeile hat ihren ganz eigenen Reiz und wird als „Kammbebauung“ bezeichnet.