Sparkassenüberfall: Die Ehefrau hatte keine Ahnung
Im Prozess gegen Polizisten sagte Gerichtsvollzieherin aus.
Mönchengladbach. Vor dem Landgericht Mönchengladbach ist Freitag der Prozess gegen Marco B. (37) fortgesetzt worden. Der Polizist, der seit einem Dienstunfall Ende 2009 nicht mehr für die Gladbacher Behörde arbeitet, hatte gestanden, zwei Sparkassenfilialen in Erkelenz und Wegberg überfallen zu haben.
Die Richter wollen nun herausfinden, was zu der Tat geführt haben könnte. Ein offensichtlicher Grund sind finanzielle Probleme. B. habe, so berichtete sein Verteidiger Gerd Meister am ersten Prozesstag, „völlig den Überblick verloren“, habe Arztrechnungen im Zusammenhang mit seinem Unfall nicht mehr zur Erstattung eingereicht. Auch soll B. wohl irgendwann im Laufe der Dienstunfähigkeit wieder der Spielsucht verfallen sein, mit der er als ganz junger Mann schon einmal Probleme gehabt haben soll.
Von 2010 an hatte die Gerichtsvollzieherin häufig mit B. zu tun. „Es waren nie große Beträge“, erzählte sie im Gerichtssaal. „Mal 300 Euro, mal 400.“ B. sei sehr freundlich gewesen, habe Ratenzahlungen vereinbart und diese auch eingehalten — zuerst. Am 9. Januar 2013 habe er ihr wie verabredet über 800 Euro gebracht. An diesem Tag war die Sparkasse in Erkelenz überfallen worden. Der Gerichtsvollzieherin war da schon eine massive Veränderung an B. aufgefallen: „Er sah immer übernächtigt aus, getrieben, mit schwarzen Augenringen.“
Ende März, Anfang April eskalierte die Lage. Die Stadt Erkelenz wollte Grundsteuern haben, rund 3000 Euro. B. konnte nicht zahlen, verschob den Termin immer weiter nach hinten. Die Gerichtsvollzieherin ließ einen Haftbefehl vorbereiten, um ihn zu einer Einkommenserklärung zu zwingen.
Als sie am 16. April vor dem Haus der Familie B. stand, öffnete die Ehefrau und erzählte, dass ihr Mann am Vortag wegen des Sparkassenüberfalls verhaftet worden sei. „Die Frau hatte keine Ahnung von der finanziellen Situation“, sagte die Gerichtsvollzieherin.
Auch dem Chirurgen, der die Knieverletzung — der Grund für die Dienstunfähigkeit — behandelte, war die Veränderung seines Patienten aufgefallen. Er habe so „gehetzt und fahrig“ gewirkt, dass er einer Polizeiärztin Bericht erstattete und um psychologische Unterstützung bat. B. habe erklärt, er wolle nicht in den Innendienst gehen, weil er dort „gemobbt“ werde.
Als Gutachter ist inzwischen der Psychologe Dr. Martin Platzek in das Verfahren eingebunden. Er hat bereits Gespräche mit dem Angeklagten geführt und lobt dessen kooperative Mitarbeit. Ob sein Gutachten bis zum geplanten Prozessende am 4. Oktober vorliegt, weiß er noch nicht. Er habe Hinweise für weit zurückliegende Ursachen entdeckt, über die er mit dem Angeklagten noch sprechen wolle.
Zunächst wird er Samstag ein Gespräch mit B.s Ehefrau führen. Das hätte auch Freitag im Gericht stattfinden können, er erhofft sich von der privateren Atmosphäre jedoch mehr Erkenntnisse. ahl