Starke Frauen in Offinso
Sie sind die Ernährerinnen ihrer in Armut lebenden Familien. Damit sie den Behörden nicht hilflos gegenüber stehen, hilft ein Projekt, das jetzt Gladbacher Besuch bekam.
Mönchengladbach. Rita ist eine der wenigen Frauen, die sich melden. Fast zaghaft hebt die sonst so resolute Frau ihre Hand: „Ja, ich habe ein wenig lesen und schreiben gelernt“, bestätigt sie mit einem schüchternen Lächeln der Gruppe von Mönchengladbachern, die zu Gast sind. Rita ist Leiterin und Sprecherin einer Gruppe von 25 Frauen, die schon seit über 20 Jahren zusammenarbeiten. Keine von ihnen ist jünger als 55, die älteste ist weit über 70 Jahre alt.
Es sind sehr arme und dennoch starke und selbstbewusste Frauen, die wie so viele in Ghana für den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgen. Die meisten haben Kinder großgezogen. Viele stammen aus Farmerfamilien und haben schon als Kinder hart auf dem Feld gearbeitet.
„Ihre Eltern waren zu arm, um sie zur Schule schicken zu können“, erzählt Linda Appeah. Wenn überhaupt, konnten sie nur höchstens bis zum Alter von zwölf Jahren die so genannte Primary School besuchen.
Eine Gruppe aus der Partnerstadt Mönchengladbach besucht in New Town Offinso den Palast von Chief Nana Osei. Er ist oberster traditioneller Vertreter des Ortes und leitet das Partnerschaftskomitee zwischen dem Distrikt Offinso und Mönchengladbach, zu dem auch Linda gehört.
„Advokat of women — Anwältin der Frauen“ wird Auntie Linda von den anderen Komiteemitgliedern liebevoll spöttisch genannt. Seit etwa 1986 gibt es in Offinso ein Projekt, das speziell Frauen wie Ritas Gruppe unterstützt und fördert.
Linda Appeah, die in der Stadt Offinso einen kleinen Laden führt, gehört zu denjenigen, die ihnen ehrenamtlich lesen und schreiben beibringt oder bei Problemen mit Behörden hilft. Linda übersetzt ins Englische. Es ist die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht und heute wichtigstes Verständigungsmittel unter den vielen traditionellen Stammessprachen in Ghana.
Hier im Distrikt Offinso, wo das stolze Volk der Ashanti zu Hause ist, sprechen die Menschen Twi. Im Alltag durchaus ausreichend, doch wer wie Rita und die anderen Frauen ohne Englischkenntnisse ist, bleibt im Umgang mit Behörden und anderen offiziellen Stellen hilflos.
Die Frauen verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Gewinnung und dem Verkauf von Palmöl. Es ist eine noch traditionell ausgeführte Arbeit, bei der die Palmnuss mühsam und zeitaufwändig zerstampft werden muss. Zeit zum Lernen bleibt nur, wenn keine Erntesaison ist: „Natürlich geht das Unterrichten nur ganz langsam, Schritt für Schritt voran“, sagt Linda. Die Anwältin der Frauen geht diesen mühsamen Weg weiter und will noch mehr tun.
Als das Partnerschaftskomitee aus Offinso 2009 die Partnerstadt Mönchengladbach besuchte, sah sich die Ghanaerin unter anderem ein Frauenhaus an: „So etwas brauchen wir in Offinso auch“, war ihre spontane Reaktion.
Die Gleichstellungsstelle Mönchengladbach hat schon zugesagt, dabei zu helfen, dies oder ähnliche Projekt anzugehen und hofft dabei auf die Solidarität vieler Mönchengladbacherinnen für die starken Frauen von Offinso.