Täglich eine Tasse Tee
Jakobus Kaiser wird heute in Mönchengladbach 105 Jahre alt. Zur Feier kommen fünf Generationen der Familie.
Mönchengladbach. Wer Jakobus Kaiser zum ersten Mal gegenüber sitzt, kann es kaum fassen: Dieser alte Herr, der den Gesprächspartner aus seinen blauen Augen so strahlend ansieht und so anschaulich von seiner Jugend berichten kann, soll wirklich 105 Jahre alt sein?
Er, der den Ersten und den Zweiten Weltkrieg, das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Nazi-Diktatur, zwei deutsche Staaten und die Wiedervereinigung erlebt hat, wirkt fitter als so mancher, der 25 Jahre jünger ist. Zugegeben, er hört nicht mehr gut, aber er leidet unter keinerlei chronischen Krankheiten und hat sogar einen Sturz, bei dem er sich den Oberschenkel brach, locker wieder weggesteckt.
Jakobus Kaiser wurde am 1.März 1905 in Ostfriesland in der Nähe von Aurich geboren, in einer Butze, wie er sagt. "Man musste nur eine Tür aufmachen, dann war man gleich im Kuhstall", erzählt er. An seine Schulzeit erinnert er sich gut. "Wir haben immer den Sedanstag und den Geburtstag von Kaiser Wilhelm gefeiert", berichtet er und zitiert: "Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnt in Berlin."
Der junge Jakobus liebt Tiere, aber seine Mutter will nicht, dass er als Knecht auf einem Bauernhof arbeitet, deshalb beginnt er mit 14 eine Schreinerlehre. Und Schreiner bleibt er, bis er 1970 in Rente geht.
Schwierig waren die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, in denen er sich mit vielen verschiedenen Stellen durchschlagen muss. 1928 kommt er nach Gladbach, wo seine Mutter inzwischen lebt. "Ich bin hier sehr gut aufgenommen worden und habe mich in Gladbach immer wohlgefühlt", erklärt der alte Herr, der bei seiner Tochter in der Nähe des Nordparks lebt.
Er bleibt an der Niers, heiratet seine Jugendliebe aus Aurich und verbringt seine freie Zeit damit, Deutschland und Europa zu erkunden, zuerst mit dem Motorrad, dann mit dem Auto.
1929 entdeckt er einen Campingplatz in Nideggen-Brück, wo es ihn fortan immer wieder hinzieht. Noch im vergangenen Jahr war er auf Einladung des Campingplatzbesitzers wieder dort und wurde von der Presse als Deutschlands ältester Camper gefeiert. Auch für diesen Sommer ist wieder ein Abstecher in die Eifel geplant.
Aber auch den Rest Europas haben er und seine Familie mit Zelt und Wohnwagen bereist. "Am Mittelmeer war es am schönsten", meint er. "Meiner Frau hat es besonders gut in Jugoslawien gefallen." Mit dabei war auch immer Tochter Erika. "Ich bin zu Anfang auf dem Sozius des Motorrades mitgefahren", erinnert sie sich lachend.
Wenn Jakobus Kaiser jetzt seinen 105. Geburtstag feiert, geschieht etwas äußerst Ungewöhnliches: Fünf Generationen versammeln sich. Mit dabei sind nicht nur Tochter, Enkel und Ur-Enkel, sondern auch noch die siebenjährige Ur-Ur-Enkelin Jana.
Das Geheimnis seines hohen Alters kann oder will Jakobus Kaiser nicht verraten: "Ich habe immer ganz normal gelebt, nicht üppig, aber normal. Und wenn ich eine Zigarre geschenkt bekomme, rauche ich sie auch heute noch weg." Vielleicht ist es der Tee. Auch nach mehr als 80 Jahren in Mönchengladbach trinkt der gebürtige Ostfriese morgens um sieben immer noch seine Tasse Tee.