Teenager wegen versuchten Totschlags vor Gericht
Bevor es zwischen ihnen zum verabredeten Sex kam, stach ein 18-Jähriger einen 35-Jährigen nieder.
Mönchengladbach. Er soll den möglichen Tod seines Opfers billigend in Kauf genommen haben, sagt die Anklage über Ozakan M. (18). Der 35-Jährige aber überlebte, und so steht der Teenager aus Oldenburg wegen versuchten Totschlags vor Gericht.
Es geht um den Abend des 2. November 2012. Ozakan M. war zu Besuch in Mönchengladbach. Laut Anklage sollen die beiden Männer gechattet und dann SMS hin- und hergeschickt haben, um sich zum Sex zu verabreden. Getroffen haben sollen sie sich dann an der Erzberger Straße, wo sie beschlossen haben sollen, in den Park an der Leifhelmstraße zu gehen.
Dort soll das Opfer bereits die Hosen herunter gelassen haben, als der junge Mann mit einem Messer zugestochen habe. 8,5 Zentimeter lang war die Klinge, die in der Brust des Opfers steckte. Später im Krankenhaus stellten die Ärzte fest, dass sie die Brustraum-Schlagader nur um einen Zentimeter verfehlt hatte.
Als der Notruf an diesem Freitagabend gegen 20.30 Uhr die Polizei erreichte, hatte sich das Opfer wohl noch bis zum nächstgelegenen Haus geschleppt, dort nichts von der Verabredung gesagt, sondern von einem Unbekannten gesprochen, bevor sich sein Gesundheitszustand so verschlechterte, dass die Ermittler ihn nicht mehr befragen konnten.
Weil das Geschehen zunächst als gefährliche Körperverletzung gemeldet war und sich die Dramatik erst später herausstellte, habe an diesem langen Wochenende — der 2. November war ein Brückentag — die Nachricht keinen Eingang in den Polizeibericht gefunden, sagte ein Polizeisprecher gestern der WZ.
Zur Sache sagt Ozakan M. aus — allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei soll er den Stich zugegeben haben. Er habe das Opfer aber nicht töten wollen. Vorher hatte er schon einen Einblick in sein Leben gegeben.
In das eines jungen Mannes, der sich nicht geliebt fühlte. Er sei eher ein „Unfall“ als ein Wunschkind gewesen, als seine Mutter ihn mit 18 Jahren bekommen habe. Das Verhältnis zu seinen Eltern sei von klein auf „nie so besonders gut“ gewesen. Er habe Schläge bekommen und Probleme immer für sich behalten.
Freunde, die er gefunden habe, seien — im Nachhinein betrachtet — immer die falschen gewesen, Drogen hätten ihn schließlich kriminell gemacht. Mit 15 habe er mit Cannabis begonnen, mit 17 mit Kokain. Das Geld für den Konsum von mindestens zwei Gramm „Gras“ täglich habe er von seiner Oma bekommen, von Freunden geliehen — oder sogar in Spielhallen gewonnen.
Letzteres nimmt ihm der Vorsitzende Richter Lothar Beckers nicht ab. Auch als M. erklärt, er wisse nicht, wie viele Freundinnen er bereits gehabt habe, fragt der Richter noch einmal nach. Im Vorfeld des Prozesses habe M. die Tat mit fehlender sexueller Orientierung begründet. Es sollte wohl sein erster Kontakt zu einem Mann werden.
Zum Schutz des jungen Mannes, aber auch des Opfers, wird bei der Aussage zum Hergang der Tat die Öffentlichkeit weiterhin ausgeschlossen. Das Opfer wird in der nächsten Woche aussagen, ebenso wie die letzte Freundin des Angeklagten.