Vortrag: Eine neue Art der Gewalt
Polizeipräsident Hans-Hermann Tirre hat über Jugendgewalt und -kriminalität gesprochen.
Mönchengladbach. „Ich bin kein Freund von Statistiken, sondern möchte die Situation lieber ganzheitlich sehen“, sagte Hans-Hermann Tirre. In seinem Vortrag über das Thema Jugendgewalt und Jugendkriminalität in Mönchengladbach brachte der Polizeipräsident dann doch jede Menge Zahlen mit. Die FDP hatte interessierte Bürger zum Gespräch in das Casino von Ruet-Wiss Okerke in Odenkirchen eingeladen und wollte vom Polizeipräsidenten wissen: „Wie sicher ist unsere Stadt?“.
Statistisch gesehen konnte Tirre Entwarnung geben. „Unsere Stadt ist sicher“, so seine Überzeugung. Im ersten Halbjahr 2011 gab es in Mönchengladbach insgesamt 12502 Straftaten, davon 457 Gewalttaten. 1353 Mal oder in 10,9 Prozent der Fälle waren die Täter noch unter 21 Jahren, wobei Jugendliche knapp die Hälfte aller Gewalttaten begangen haben. „Das heißt 1,7 Prozent aller Straftaten in Mönchengladbach fallen unter Jugendgewaltkriminalität“, so der Polizeipräsident. Und es habe im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr sogar einen Rückgang der Jugendkriminalität gegeben.
Mit Statistiken müsse allerdings vorsichtig umgegangen werden. Einerseits sei es bei Jugendlichen manchmal „eine normale Art der Kommunikation, was wir als Gewalt wahrnehmen“, erklärte der Gladbacher Polizeichef. Andererseits würde es eine hohe Dunkelziffer an Straftaten geben, die statistisch nicht erfasst würden.
„Straftaten im Internet nehmen uns mehr und mehr in Beschlag“, sagte Tirre. So sei das Downloaden von Filmen aus dem Internet ein jugendtypisches Vergehen, das in der Öffentlichkeit kaum als solches wahrgenommen werde. Bedenklich sei auch die Gewalt gegen andere im Netz etwa durch so genanntes „Happy slapping“. Hier filmen Jugendlich gewaltsame Aktionen gegen andere Jugendliche und veröffentlichen die Szenen im Internet auf der Video-Plattform YouTube.
Festzustellen sei außerdem, dass es jenseits der Statistik eine neue Art der Gewaltbereitschaft gibt. Ein Beispiel sei der aggressive Angriff eines Polizeibeamten bei einem Einsatz in Odenkirchen im vergangenen Jahr. „Die Hemmschwelle zur Gewalt ist gesunken, sonst wären viele Taten so nicht denkbar“, erklärte der Polizeipräsident. Er habe Verständnis dafür, dass solche herausragenden Ereignisse das subjektive Empfinden von Unsicherheit in der Bevölkerung zusätzlich steigerten. „Wir nehmen dieses Gefühl ernst“, betonte Tirre.
Die Polizeipräsenz in Odenkirchen sei signifikant gestiegen, es gäbe für Brennpunkte ein Konzept der intensiven Zusammenarbeit verschiedener Stellen. „Die Polizei alleine kann das Blatt nicht wenden. Gewaltprävention ist letztendlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, gab der Polizeipräsident seinen Zuhörern mit auf den Heimweg.