Wikipedia-Gründer Wales: „Anfang der Recherche, aber nicht das Ende“
Mönchengladbach. Wikipedia-Gründer Jimmy Wales sprach vor seinem Auftritt in der KFH mit der WZ über die Suche nach Informationen.
Haben Sie vor ihrem Besuch hier in Mönchengladbach geschaut, wo Sie heute Abend sein werden?
Wales: Nein, ich schaue oft wo ich bin und finde es spannend, etwas über die Orte zu erfahren. Ich weiß ein wenig über die Stadt und die Nachbarstadt Düsseldorf.
Was war der letzte Artikel den Sie auf Wikipedia gelesen haben?
Wales: Das war letzte Nacht. Nach dem Tod des venezuelanischen Präsidenten Hugo Chávez. Das interessiert mich. Ich lese oft Artikel zu gerade verstorbenen Persönlichkeiten, die mich interessiert haben und lasse so ihr Leben Revue passieren.
Wikipedia wird oft vorgeworfen sie enthalte falsche Informationen und würde von Unternehmen bewusst manipuliert werden.
Wales: Wir sehen selbst, dass einiges falsch ist oder bewusst manipuliert wird. Jedoch schafft es die Community schnell auf solche Dinge aufmerksam zu machen und sie zu berichtigen. Vergangene Woche erst haben wir etwa 20 Accounts löschen müssen, da systematisch manipuliert worden ist.
Dürfen Ihre Kinder Wikipedia, zum Beispiel für Schulaufgaben, nutzen?
Wales: Meine Kinder dürfen das und sollen das sogar. Sie können so Medienkompetenz lernen. Es ist aber auch sehr wichtig, dass die Lehrer in der Schule einen vernünftigen Umgang mit der Wikipedia vermitteln. Wir schaffen Basis-Informationen zur Vorrecherche, können aber nur selten ein tiefergehendes Wissen verschaffen. Wikipedia soll der Anfang einer Recherche, auf keinen Fall aber das Ende sein.
Welche Artikel lesen Sie am liebsten? Haben Sie ein Lieblingsthema und wenn ja, wann lesen Sie?
Wales: Wikipedia ist meine Lebensaufgabe. Am meisten interessieren mich Artikel zur Englischen Geschichte, da bin ich ganz fasziniert von — ich weiß selbst nicht so genau weshalb. Oft lese ich die Artikel offline im Flugzeug. Da finde ich Zeit dazu und das macht mich glücklich.
Im Wikipedia-Artikel über Sie steht, dass Sie bis zu 250 Tage im Jahr durch die Welt reisen.
Wales: Das war einmal, mittlerweile sind es etwa 200 Tage. Das müsste mal aktualisiert werden. Ich lebe in London und versuche alle zwei Wochen meine Tochter in den USA zu sehen. (Er schaut ins Programmheft, wo der Wikipedia-Eintrag zitiert ist, Anm. d. Red.) Das ist ja aus einem älteren Artikel. Mit der Gestaltung solcher Programmhefte ist es ähnlich wie mit Wikipedia: Es ist unmöglich alles auf einmal zu überprüfen, einiges muss später überarbeitet werden.
Was fasziniert Sie an Wikipedia?
Wales: Es ist spannend, wie schnell Informationen aktualisiert werden. Als Kardinal Ratzinger Papst wurde, waren wenige Minuten später Infos zu seiner Person online. Manchmal wird dann aus einem ganz kleinen unbekannten Thema oder Artikel ein richtig großer Wissens-Pool.
Lesen Sie dann überhaupt noch Zeitungen?
Wales: Ja, das ist sehr wichtig, wie gesagt: Wikipedia darf nicht die alleinige Informationsquelle sein.
Wie würden Sie Wikipedia mit drei Worten beschreiben?
Wales: Oh, mit drei Worten geht das nicht — reichen zwei? Ich würde sagen Partizipation, die Teilhabe am gesamten Wissen der Menschheit und die „edit the page“-Devise (bearbeite die Seite), jeder trägt etwas dazu bei. Ach ja — ich habe noch ein drittes: Spaß.
Haben Sie Zuhause ein Lexikon im Regal stehen?
Wales: Nein, ich wollte vor ein paar Wochen meiner Tochter eine Kinder-Enzyklopädie schenke, die ich in meiner Kindheit auch hatte. Habe es mir dann aber anders überlegt.