Projekt mit der HHU Düsseldorf NRW-Gesundheitsministerium will Infektionsketten in Echtzeit analysieren lassen

Düsseldorf · Es bestehen nach wie vor große Unsicherheiten darüber, wo die Ansteckungen mit Corona in der Bevölkerung stattfinden. Ein Projekt der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Uni soll helfen.

Ministerium ermöglicht Echtzeit-Infektionskettenanalyse von SARS-CoV-2 in Düsseldorf

Foto: dpa/Matthias Balk

So ist es zum Beispiel kaum möglich, belastbare Aussagen darüber zu treffen, zu wie vielen Ansteckungen es etwa in Restaurants im Vergleich zum öffentlichen Nahverkehr oder in der Schule kommt, teilte das NRW-Gesundheitsministerium mit. Erkenntnisse werden vor allem durch die klassische Kontaktpersonennachverfolgung gewonnen. Hier wird nach Kontakten bis zu 14 Tagen in der Vergangenheit und bis zu dem Zeitpunkt der beginnenden Quarantäne gesucht. Aufgrund des langen Zeitraumes sind die Aussagen zu möglichen Kontakten oft nicht sehr aussagekräftig.

Hier setzt ein Projekt der Echtzeit-Infektionskettenanalyse der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Kooperation mit dem Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf an. Das Projekt macht sich zu Nutze, dass sich die Erbinformation in einem Virus zufällig und sprunghaft verändern kann („Mutation“). Diese Veränderungen werden über moderne Sequenzierungstechnologien ausgelesen und können einen Hinweis darauf geben, wer sich wo angesteckt hat, da die speziellen Mutationen in dem Virus nachverfolgt werden können. Die SARS-CoV-2-positiven Proben stammen aus zwei großen Laboren in Düsseldorf.

„Mit dem aus Landesmitteln geförderten Projekt machen wir einen Quantensprung im Bereich der Infektionskettenanalyse“, so Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Neben den Aussagen der Personen können wir nun Zusammenhänge von Ausbrüchen auch über die Gesamtgenomsequenz erkennen und folglich neu bewerten.“

Zentral bei der Echtzeit-Infektionskettenanalyse sind zwei Aspekte: zum einen die Geschwindigkeit, in der die positiven SARS-CoV-2-Proben von der Universität Düsseldorf sequenziert und die Ergebnisse für das Gesundheitsamt aufbereitet werden. Zum anderen die anschließende, gezielte Nutzung dieser Daten für die Nachverfolgung von Infektionsketten durch das Düsseldorfer Gesundheitsamt. Die aus dem Projekt gewonnenen und analysierten Daten werden innerhalb von 48 bis 60 Stunden von der Heinrich-Heine-Universität an das Gesundheitsamt Düsseldorf übermittelt.

Seit April 2021 führen die Kooperationspartner mit insgesamt 22 beteiligten Mitarbeitern das deutschlandweit einzigartige und international führende Pilotprojekt durch. „Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend und ermöglicht eine unmittelbare Nutzung der wissenschaftlichen Daten für das lokale Pandemiemanagement, zum Beispiel im Bereich der Infektionskettenverfolgung und der Überwachung und Detektion viraler Varianten”, so die Einschätzung von Professor Alexander Dilthey von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene.

Dem schließt sich auch der Gesundheitsdezernent der Landeshauptstadt Düsseldorf, Christian Zaum, an und betont: „Mit den herkömmlichen Verfahren der Kontaktpersonennachverfolgung allein bleiben Infektionsketten oftmals im Dunkeln. Dank der ‚Echtzeit-Sequenzierung‘ kann das Gesundheitsamt nun jedoch zeitnah feststellen, welche Infektionen in einem Zusammenhang stehen. Dadurch haben wir ein wirksames Instrument zur Hand, um die Ausbreitung des Coronavirus in Düsseldorf besser zu verstehen und einzudämmen.“

Im Zeitraum Mitte April bis Ende August 2021 wurden 3474 komplette SARS-CoV-2-Genome sequenziert. Die Kosten übernimmt das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium: Insgesamt stehen für das Projekt bis Ende Oktober 2021 240.000 Euro Fördermittel zur Verfügung. Die Daten sind für jeden unter https://covgen.hhu.de frei einsehbar. Die genetisch identifizierten Infektionscluster weisen in fast allen Fällen auf relevante Infektionsketten oder enge Zusammenhänge in der Bevölkerung hin und beinhalten Übertragungen zum Beispiel in Schulen, Kitas, Altenheimen und Supermärkten.

So ereignete sich zum Beispiel ein Infektionsgeschehen in einer Schule, welches aufgrund der ungewöhnlich langen Inkubationsdauer mit der klassischen Kontaktpersonennachverfolgung nicht als ein zusammenhängendes Infektionsereignis identifiziert wurde. Dies gelang erst durch die Genomsequenzierung der positiven Proben.

Die Genomsequenzierung lässt zudem einen genauen Blick auf die Mutationen des Virus zu und hilft auf diese Weise dabei, die Verbreitung von Virusvarianten besser nachverfolgen zu können. Anhand der Rückschau der gefundenen Varianten lässt sich sehr gut erkennen, dass in Düsseldorf die Delta-Variante weiterhin dominiert.