Besetzung hoher Richterposten Justizminister Limbach erneut unter Druck

DÜSSELDORF · Führte der NRW-Justizminister Gespräche mit Bewerbern auf hohen Richterposten, damit diese sich zurückziehen? Opposition im Landtag fordert dritte Sondersitzung

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) wird von der Opposition im Landtag unter Druck gesetzt.

Foto: dpa/David Young

Ein Zeitungsartikel und die daraufhin erfolgte Reaktion der Oppositionsparteien SPD und FDP im Düsseldorfer Landtag bringen den nordrhein-westfälischen Justizminister Benjamin Limbach erneut in Erklärungsnot: Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) hatte berichtet, der Grünen-Politiker habe entgegen seinen früheren Aussagen im Rechtsausschuss des Landtags sehr wohl Einfluss auf die Besetzung des hohen Richterpostens am Oberverwaltungsgericht Münster genommen.

Am höchsten NRW-Verwaltungsgericht ist seit 2021 die Präsidentenstelle unbesetzt. Es gibt diverse Bewerber. Die Verwaltungsgerichte in Münster und Düsseldorf hatten das Bewerbungsverfahren aufgrund von Klagen nicht berücksichtigter Bewerber gestoppt. Die Stelle ist daher weiterhin unbesetzt. Das Verwaltungsgericht Münster hatte in seiner Entscheidung gar von einer „manipulativen Verfahrensgestaltung“ zu Gunsten der von Limbach favorisierten Bewerberin gesprochen.

Nach dem Zeitungsbericht soll der Justizminister im September 2022 mit einem der Bewerber, einem Abteilungsleiter des Justizministeriums, gesprochen und ihm mitgeteilt haben, dass er ihm empfehle, auf seinem Posten zu verbleiben und die Bewerbung nicht weiter zu verfolgen. Der Spitzenbeamte aus dem Justizministerium sei über den Inhalt des Gesprächs derart irritiert gewesen, dass er seinen Rechtsanwalt einschaltete.

Im November 2022 habe Limbach mit dem weiteren Bewerber, einem Bundesrichter, gesprochen. Diesem habe er nahegelegt zu prüfen, ob er seine Bewerbung tatsächlich weiterverfolgen wolle. Man habe eine „Bessere“.

Mit „eine Bessere“ dürfte eine Abteilungsleiterin aus dem NRW-Innenministerin gemeint sein, die Limbach aus der Vergangenheit persönlich kennt. In einer gemeinsamen Erklärung schreiben nun die SPD- und die FDP-Fraktion im Landtag: „Diese beiden Vorgänge zeigen den persönlichen Einsatz, die persönliche Einflussnahme und die manipulative Kraft, die Minister Limbach hier entfaltete, um seine Duz-Freundin und Wunschkandidatin als Präsidentin des OVG Münster durchzudrücken.“

Anders als noch zuvor behauptet, sei die Auswahl für die Präsidentschaftsstelle am OVG Münster offensichtlich nicht nach den Maßgaben des Artikels 33 Abs. 2 Grundgesetz in der Fachabteilung erarbeitet worden. Die Behauptung Limbachs vor dem Rechtsausschuss am 5.Oktober, er habe keinen persönlichen Einfluss in das Bewerbungsverfahren genommen, sei daher unwahr.

„Minister Limbach hat den Rechtsausschuss und die Öffentlichkeit belogen“, ziehen die SPD- und FDP-Politiker ihr Fazit. „Das Maß ist für uns schon lange voll“, so SPD-Fraktionsvize Elisabeth Müller-Witt. „Geht der Justizminister nicht von selbst, steht Ministerpräsident Hendrik Wüst in der Pflicht, ihn zu entlassen“, so die FDP.

Limbach räumte am Donnerstag ein, Vier-Augen-Gespräche mit den Bewerbern geführt zu haben. Dies sei in der Justiz durchaus üblich und die Bewerber hätten ihn darum gebeten. Einen der Bewerber, einen Abteilungsleiter im Justizministerium, habe er dabei gebeten, seine Arbeit als Abteilungsleiter fortzusetzen. Er verfüge über eine herausragende Erfahrung in der Bundes- und Landesgesetzgebung, die er, Limbach, sehr schätze und auf die er nicht verzichten wollte. Einen anderen Bewerber habe er gebeten, zu prüfen, ob er seine Bewerbung  „auch vor dem Hintergrund des neuen Bewerberfeldes“ aufrechterhalten möchte. Er habe keinen Bewerber aufgefordert oder in irgendeiner Weise dazu gedrängt, seine Bewerbung zurückzuziehen, so Limbach. Allen Bewerbern gegenüber habe er deutlich gemacht, dass er ihre Entscheidungen ­– unabhängig davon, wie sie ausfallen – selbstverständlich respektiere und sie auch keine Auswirkungen auf das weitere Auswahlverfahren haben würden.

Zum Zeitpunkt der Gespräche habe er auch noch keine Entscheidung zu einem Besetzungsvorschlag getroffen, da die ergebnisoffene Prüfung durch die Fachabteilung noch angedauert habe. Limbach betonte am Donnerstag, dass er zu der Bewerberin kein privates oder freundschaftliches Verhältnis habe, ebenso wenig seine Frau. Im Landtag hatte der NRW-Justizminister versichert, es habe keine politische Einflussnahme auf das Besetzungsverfahren gegeben.

Zu dem Thema hat es bereits zwei Sondersitzungen des Landtags-Rechtsausschusses gegeben. Nun beantragen SPD und FDP „angesichts der Brisanz der Vorwürfe eine dritte Sondersitzung in dieser Angelegenheit“. Die im Übrigen - man hat die Öffentlichkeit im Blick - im Livestream übertragen werden soll.

Hinzu kommt eine Große Anfrage in Sachen Cum Ex

Mit noch einer anderen Maßnahme setzt die FDP den Justizminister unter Druck.  Dabei geht es um die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals. Durch den Cum-Ex-Betrug wurde der deutsche Staat schätzungsweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt. Limbach hatte die zuständige Staatsanwaltschaft in Köln umstrukturieren wollen und den Plan erst nach massivem Widerstand und den Vorwürfen zurückgenommen, die Aufarbeitung werde dadurch behindert. Die FDP will den Fall aber nicht zu den Akten legen und kündigte nun eine Große Anfrage in dieser Angelegenheit an.

Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, fordert „klare Aussagen zu den Verzögerungen, Ausflüchten und zur intransparenten Vorgehensweise des Ministers bei der Aufklärung“. Bei Cum-Ex handle es sich nicht um eine Bagatelle, sondern um schwerwiegende Straftaten, die über Jahre von verschiedenen Banken begangen wurden. Pfeil: „Wir kritisieren die unklaren Antworten von Justizminister Limbach in den bisherigen Sondersitzungen und seine abrupte Kehrtwende bei der zuvor geplanten Aufspaltung der Abteilung H.“