Eignen Sie sich für einen Job hinter Gittern? Karrierek(l)ick per „Knast-O-Mat“

Düsseldorf · In den Gefängnissen von NRW fehlt jede Menge Personal. Dabei ist der Job laut Ministerium gar nicht so gefährlich – und immerhin absolut sicher.

Ein „Knast-O-Mat“ soll in Nordrhein-Westfalen helfen, geeignetes Nachwuchspersonal für die Arbeit in Gefängnissen zu finden.

Foto: Juliane Kinast

Lernst du Menschen erst mal kennen, bevor du dir eine Meinung über sie bildest? Ist das Tragen einer Uniform im Job ein Problem für dich? Magst du Arbeitszeiten, die nicht immer gleich sind, dafür aber sehr planbar? Und: Bist du sportlich? Klick auf den grünen Daumen nach oben, Klick auf den roten Daumen nach unten, grüner Daumen, grüner Daumen – und dann noch 14 weitere Klicks. Auf dem Bildschirm erscheint ein Piktogramm-Männchen, das jubelnd die Arme in die Höhe streckt: „Du passt da rein“, verkündet der „Knast-O-Mat“. Mit diesem neuen Online-Tool will das NRW-Justizministerium an der Hemmschwelle fräsen, die viele von einer Karriere hinter Gittern abhält. Denn Justizvollzugsbeamte werden dringend gesucht.

Kein Gefängnis ist unterbesetzt, das Personal aber überlastet

Knapp 6400 Stellen zählt der Allgemeine Vollzugsdienst in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 400 warten noch auf einen Bewerber oder eine Bewerberin. Das heißt laut Justizminister Peter Biesenbach (CDU) allerdings nicht, dass Gefängnisse mit Unterbesetzung fahren. Sondern, dass die vorhandenen Beamten mehr leisten. „Die Belastung des Personals ist nicht unerheblich“, sagt Ulrich Biermann, Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten in NRW. Aktuell seien 400 000 bis 500 000 Überstunden insgesamt aufgelaufen. Biermann: „Diesen Brocken schieben wir schon seit Jahren vor uns her.“

Biesenbach weiß, dass der Nachwuchsmangel Gründe hat: „Die Arbeit im Justizvollzug ist kein Job wie jeder andere.“ Das fange damit an, dass ein Handy verboten sei und der mittägliche Gang zum Italiener um die Ecke mit den Kollegen unmöglich. Hinzu kommt „die ständige Begegnung mit Menschen, die nicht glücklich sind“. Diese Straftäter gelte es dennoch zu achten und dabei zu unterstützen, ein Leben im Rahmen des Rechts aufzubauen. „Es ist ein permanenter Kampf um menschliche Schicksale“, verdeutlicht der Minister. Und dafür Profis zu finden, sei „keine leichte Aufgabe“.

So vielen beschwerenden Fakten will das Justizministerium nun einen spielerischen Zugang zum Beruf Vollzugsbeamter entgegensetzen. Der „Knast-O-Mat“ fragt eben gerade nicht, ob man sich vorstellen kann, mit Vergewaltigern und Kindsmördern zu arbeiten – sondern ob man das echte Leben spannender als soziale Netzwerke findet, etwas Sinnvolles tun will. Und ob man schon mal über die Vorzüge einer Verbeamtung auf Lebenszeit nachgedacht hat.

Denn das ist laut Biesenbach einer der großen Vorzüge des Dienstes im Knast: „Wir haben sichere Jobs.“ Und das auch für Querein- und Umsteiger: Beamter kann man im Vollzugsdienst auch mit 42 Jahren noch werden. „Wir suchen gerade Lebenserfahrene“, erklärt der Minister. Dann seien sogar mal Ausnahmen für die Verbeamtungsgrenze möglich. So geschehen kürzlich etwa bei zwei Stewardessen, die zwar älter als 42 waren, dafür aber den Umgang mit Menschen und hakeligen Situationen gewohnt.

Viele Bewerber scheitern am Sport oder dem Diktat

Eingestellt wird ab 20 Jahren – Hauptschulabsolventen brauchen eine abgeschlossene Berufsausbildung, mit höheren Schulabschlüssen ist der direkte Einstieg möglich. Und das jederzeit im Jahr. In NRW verdienen Anwärter bereits in der zweijährigen Ausbildung 1600 Euro  – dank eines Sonderzuschlags des Landes; danach geht es bei 2000 Euro Einstiegsgehalt los, plus Familienzuschlag. An der Vergütung, verspricht Biesenbach, will er in Zukunft durchaus noch schrauben. Einstweilen sei seine Priorität allerdings, noch mehr neue Stellen für den Vollzugsdienst beim Finanzminister herauszuschlagen.

Bereits seit Anfang des Jahres wirbt die NRW-Justiz generell um Nachwuchs, denn auch bei Staatsanwaltschaften und Gerichten sind Stellen offen. „Wir haben durch die Kampagne schon ordentlich mehr Bewerbungen“, sagt Jakob Klaas, im Ministerium Abteilungsleiter für den Justizvollzug. Das Problem: Nur rund zehn Prozent der Bewerber erweisen sich letztlich auch als geeignet. Viele scheitern am Sporttest, bei dem sie etwa Hindernisse überwinden und Gegenstände aus dem Weg räumen müssen – Übungen für den Ernstfall in der späteren Berufspraxis. Aber auch das Diktat beende für eine hohe Zahl die Knastkarriere vorzeitig. Hier will der Minister nachbessern – denn es sei fraglich, ob für den Vollzugsdienst tatsächlich ungeeignet sei, wer „Portemonnaie“ etwa nicht buchstabieren könne, weil er eben immer „Geldbörse“ sage.

Sicher, sagen sowohl der Minister als auch Gewerkschafter Biermann übrigens, ist der Job auch in anderer Hinsicht: Übergriffe auf das Personal durch Gefangene gebe es natürlich – zumal bei dem hohen Anteil mit Drogen- oder psychischen Problemen. Man rede hier aber über „Einzelfälle“, beteuern beide unisono. Und die Ausbildung für solche Situationen sei deutlich professionalisiert worden. Verheißungen mit denen jetzt offensiv in Jobbörsen und sozialen Netzwerken geworben wird. Und natürlich im „Knast-O-Mat“: