Tag der Pflege Pflegende wollen Anerkennung ihrer Leistung

DÜSSELDORF · NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) macht sich für Tariflöhne in Pflegeberufen stark. Betroffene fordern auch personelle Verstärkung.

 Zum Internationalen Tag der Pflege haben sich Fachkräfte und Verbände für eine bessere Bezahlung ausgesprochen.

Zum Internationalen Tag der Pflege haben sich Fachkräfte und Verbände für eine bessere Bezahlung ausgesprochen.

Foto: imago images/Political-Moments/via www.imago-images.de

Dass NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann eine deutliche Sprache bevorzugt, ist bekannt. Am Mittwoch, dem Tag der Pflege, wird der CDU-Sozialpolitiker besonders deutlich. Mit Blick auf die Pflegenden und deren Leistungen unter den schwierigen Pandemie-Bedingungen fordert er Konsequenzen für die Branche: „Tarifbindung darf nicht mehr eine Ausnahme, sondern muss die Regel sein. Jeder, der seinen Pflegern keinen Tariflohn anbietet, sollte seine Einrichtung dichtmachen. Es ist ein Skandal, dass auch heute noch vielen Pflegekräften der Tariflohn vorenthalten wird.“

Personal im Pflegebereich
ist „auf Kante genäht“

Eben diese Tarifbindung, faire und angemessene Löhne für die in der Pflege Arbeitenden, ist auch ein Anliegen von Frank Johannes Hensel. Er ist Chef der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW.  Die Wohlfahrtsverbände betreiben in Nordrhein-Westfalen mehr als 1300 stationäre Einrichtungen und mehr als 880 ambulante Pflegedienste. Bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf betont Hensel: „Die Pandemie hat gezeigt, wie sehr die personelle Ausstattung im Pflegebereich auf Kante genäht ist.“ Das Personal müsse auch dadurch entlastet werden, dass zusätzliche Kollegen für die Bereiche Digitales und Kommunikation eingestellt werden, sodass sich die Pflegenden auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren könnten. Das komme den zu Pflegenden und ihren Angehörigen zugute.

„In jedem Zimmer ist doch heute schon ein Bildschirm, das muss alles nur entsprechend von kompetentem und qualifiziertem Personal vernetzt werden“, sagt Hensel. Elke Hammer-Kunze, stellvertretende Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen, erklärt, wie das in der Praxis weiterhelfen würde. Längst gebe es Modellprojekte, die sich gerade in der Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen bewährt hätten. So könnten Angehörige Bilder der Enkel auf den Bildschirm bringen, durch solche technischen Möglichkeiten würden „Besuche“ in den Einrichtungen 24 Stunden pro Tag möglich. Nur bedürfe es dafür auch speziell ausgebildeten Personals, mit dessen Hilfe sichergestellt werde, dass die Pflegekräfte nicht durch Papierkram von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten werden. 

Das Pflegepersonal, sagt Hammer-Kunze, habe während der Pandemie trotz eigener privater Belastung im Lockdown „alles getan, um die zu Pflegenden zu beschützen. Diese waren ja lange Zeit wegen nicht möglicher Verwandtenbesuche völlig auf sich allein gestellt.“

Wie sehr die Pandemiemonate an der Kraft der Pflegekräfte gezehrt haben, zeigt eine Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Die repräsentative Befragung von  1.092 Pflegenden ergab, dass in der zweiten Welle der Corona-Pandemie 84 Prozent der Befragten eine höhere Arbeitsbelastung als normal üblich meldeten. Daraus resultiere auch eine nicht mehr adäquate Versorgung der Pflegebedürftigen. 71 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Versorgungsqualität der Pflegebedürftigen beeinträchtigt sehen.

Dass Applaus von den Balkonen und ein einmaliger Pflegebonus nicht viel weiterhelfen, zeigen auch Befragungen, auf die Hensel und Hammer-Kunze bei ihrer Pressekonferenz zu sprechen kommen. Ein Drittel der Pflegenden mache sich Gedanken, aus dem Beruf auszuscheiden. Hensel: „Noch bleiben die meisten dabei, aber wir dürfen sie nicht so erschöpfen, dass sie tatsächlich dem Beruf den Rücken kehren.“ Hammer-Kunze ergänzt: „Es droht eine Flucht aus dem Beruf, darum ist es wichtig, die Belange der Pflegenden ernst zu nehmen. Da muss sich nun schnell etwas tun.“

Höhere Löhne und mehr Personal kosten freilich Geld. Eben darüber müsse im Zuge der anstehenden Pflegereform gesprochen werden, fordert Hensel. Geschehe das nicht, blieben die Mehrkosten  an den zu Pflegenden in Form einer hohen Eigenbeteiligung hängen. Viele könnten das nicht lange bezahlen, und dann müsse die Sozialhilfe einspringen. Bei einer Finanzierung durch Steuern hingegen könnten diverse Einkommensarten einbezogen werden, zeigt Hensel Alternativen auf. Auch eine aufgestockte Pflegeversicherung könne ein Weg sein. Das Problem wird von der Politik vor der Bundestagswahl wohl nicht mehr abgeräumt – bietet aber umso mehr Stoff für den Wahlkampf.