Aufführung „Symphonie“ im FFT Mobbing bei Mozart

Düsseldorf · Das FFT zeigt die Produktion „Symphonie“. Sie soll dem Publikum Spannungen vermitteln, die für viele Menschen alltäglich sind.

Spielen auf Kommando: Szene aus der „Symphonie“-Produktion.

Foto: FFT/Jörg Metzner

Gleich ein ganzes Symphonieorchester kommt von der Spree an den Rhein: Der Mercedes Sprinter aus Berlin wird allerdings nur 60 digitale Instrumente transportieren, aufgeteilt in die drei Instrumentengruppen Geige, Bratsche und Cello. Damit sollen junge Menschen aus dem Düsseldorfer Publikum Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 40 g-Moll zu Gehör bringen.

Von ihrem Corpus her sehen die Instrumente beinahe so aus wie echte, nur etwas kleiner. Und sie haben auch nur zwei Saiten, aber tatsächlich einen Bogen. Inwieweit aus der „Symphonie“ dann auch eine Harmonie wird, muss sich erst zeigen. Mozarts Sinfonie wurde in einer Version mit beschränkter Instrumentenvielfalt aufgespielt, ohne Kontrabässe oder Bläser.

Vor Beginn des Konzerts im FFT, wenn also die Instrumente gut verteilt in den Händen des Publikums liegen, wird es wie bei echten Musikern eine Stimmprobe geben: „Also jetzt bitte ein A von den Geigern“ oder so ähnlich. Wenn es richtig losgeht, sind zumindest kleinere Störungen im Ablauf eines der beliebtesten und meistgespielten Werke des Komponisten erwünscht. Denn das Berliner Gastspiel präsentiert sich als interaktive Performance. Hierzu lautet der Hinweis der Veranstalter: „Keine Angst, zum Spielen dieser besonderen Instrumente sind keine Vorkenntnisse erforderlich!“

Wie soll das gehen? Anruf in Berlin bei Anna Vera Kelle. Sie ist die Leiterin des Theaters Strahl, das zusammen mit dem Künstlerkollektiv Kobakant für das Projekt verantwortlich zeichnet. „Symphonie“ sei vor allem als theatrale Maßnahme gegen Diskriminierung zu verstehen: „Nach unserer Wahrnehmung nutzen Lehrer im Klassenraum häufig ihre Macht, um Schülerinnen und Schüler aus migrantischen Milieus oder mit Fluchthintergrund zu diskriminieren. Eine ähnlich uneingeschränkte Machtposition sehen wir beim Orchester in der Rolle der dirigierenden Person.“

Warum dann aber nicht gleich den Unterrichtsalltag auf der Bühne zeigen? Kelle lacht: „Wir spielen für junge Menschen ab 13 Jahren, die wohl alle noch Schüler sind und meist von ihren Lehrern zum Theaterbesuch angeregt werden. Die aber wollen sich im Theater nicht als Schuldige vorgeführt erleben.“

Jetzt also tritt die Machtfülle der Dirigenten in Gestalt dreier Leiter von Instrumentalgruppen vor das Publikum: Amos Detscher, Matthias Kelle und Lara Sophie Milagro treiben die Spielhandlung und das musikalische Geschehen voran. Was als Orchesterprobe beginnt, entpuppt sich mehr und mehr als Nährboden für Diskriminierungen. Wer gehört dazu, wer wird ausgegrenzt? Wann leisten die jungen Musikerinnen und Musiker zum ersten Mal Widerstand?

Zunächst einmal ist sichergestellt, dass alle 60 Instrumente erklingen werden. Denn jedes hat einen eigenen Lautsprecher, und so fällt auf, wenn jemand nicht mitmacht. Ist aber genau diese Kontrolle wiederum eine Form von diktatorischer Macht? Anna Vera Kelle verweist auf die vorgesehene diskriminierungskritische Begleitung. Und auf die im Ergebnis offene Form dieser Performance. Jede Vorstellung dauert etwas mehr als eine Stunde. Um eine größere Lebendigkeit zu erreichen, sollten sich die jungen Musiker nicht mit Freunden zu Instrumentalgruppen zusammenschließen: „Wenn man so will, wäre das nämlich der worst case. Alle machen brav und still, was der große Diktator will.“ Deshalb sollten sich auch die Familien auf unterschiedliche Instrumente verteilen.

Theater Strahl verbindet
Sprech- und Tanztheater

1987 als freie Theatergruppe gegründet, hat sich Theater Strahl in den letzten 35 Jahren als eine der interessantesten Bühnen für zeitgenössisches Theater und junges Publikum etabliert. Von Klassikeradaptationen bis Maskentheater mit Beatboxing: Theater Strahl gibt neuen künstlerischen Formaten Raum und verbindet dabei Sprech- und Tanztheater. Hingegen erforscht das Künstlerkollektiv „Kobakant“ in seiner Arbeit den Einsatz von Textilhandwerk und Elektronik als Medium zur Kommentierung technologischer Aspekte der heutigen Hightech-Gesellschaft.

Und wie viel Mozart steckt in „Symphonie“? Kelle gibt sich optimistisch: „Man kann annehmen, dass hier für viele junge Leute der erste Kontakt mit klassischer Musik, den hierfür klingenden Instrumenten und den Abläufen eines Konzerts entsteht. Das allein ist schon für uns eine Belohnung.“

(cc w.g.)