„Wenn es bei den Gottesdiensten auch so voll wäre, dann hätten wir weniger Probleme.“ Die Bemerkung eines Besuchers in der katholischen Pfarrkirche St. Johannes Baptist lässt die drumherum auf den Kirchenbänken sitzenden Bürger nicken. „Dann wäre diese Veranstaltung gar nicht von Nöten“, sagt jemand. Andere wiederum stellen fest, wie schön die Kirche sei und in welch einem guten Zustand sie sich befinde. „Ich möchte nicht, dass sich hier etwas ändert“, sagt eine Besucherin. Die Kirchenbänke sind allesamt besetzt, und immer noch strömen Gäste in das Gotteshaus. Weitere Stühle werden im hinteren Bereich aufgestellt. Letztendlich sind es rund 250 Besucher, die sich eingefunden haben, denn es ist ein Thema, das sie alle tangiert: Die Gemeinde hat zu einer ersten Infoveranstaltung eingeladen, bei der es um die Zukunft des Kirchengebäudes geht.
„Wir beschäftigten uns schon seit einigen Jahren mit dem Thema, wie es in der Zukunft weitergehen soll“, sagt Pfarrer Jürgen Lenzen. Der Hintergrund der Überlegungen liegt in Zahlen auf der Hand. Die Kirchengemeinde wird seit Jahren kleiner, und immer weniger Menschen besuchen die Gottesdienste. Laut einer Prognose sollen in zehn Jahren deutschlandweit 10.000 Kirchen keine Mittel mehr haben.
Heinz Tischelbäcker spricht von einer rückläufigen Nutzungsintensität. „Wir haben noch keine Not, etwas zu tun. Aber wir müssen in die Zukunft blicken und die Weichen stellen, damit wir auch zukünftig den Auftrag erfüllen können, für die Menschen da zu sein“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands St. Johannes Anrath. Schon im Jahr 2019 gab es vom Kirchenvorstand den Auftrag, sich mit der Perspektive der Gemeinde zu beschäftigen. Eine achtköpfige Gruppe, bestehend aus Kirchenvorstand, Ortsausschuss und weiteren Gemeindemitgliedern, fand sich zusammen. Unter dem Titel „Zukunftsperspektiven“ ging es ans Werk.
Einer Bestandsaufnahmen folgten erste Ideen. Diese wurden nun vorgestellt. Lenzen betont, dass es weder einen Supermarkt noch eine Disco geben werde, wie in den Sozialen Medien schon verbreitet worden sei. Auch ein Abriss sei keine Option. Die Kirche soll erhalten werden – und das auch mit einer sakralen Funktion. Tischelbäcker hebt hervor, dass sich die Kirche dank des unermüdlichen Einsatzes des Kirchbauvereins in einem sehr guten Zustand befinde und Angebote wie die offene Kirche dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Domwächter umgesetzt werden könnten. Die Kirche habe auch städtebaulich gesehen eine nicht zu ersetzende Bedeutung. „Viele sagen immer, wenn sie von der Autobahn kommen und die Kirchturmspitze sehen, dann sind sie wieder zu Hause“, bemerkt Tischelbäcker.
Ein solcher Mittelpunkt soll die Pfarrkirche weiterhin sein und zudem ein Ort der Begegnung sowie des kirchlichen Lebens. In der Arbeitsgruppe kann man sich so vorstellen, dass die katholische öffentliche Bücherei, die sich derzeit in gemieteten Räumen an der Straße Auf dem Sand in Anrath befindet, in die Kirche einziehen könnte. Das gilt auch für das Pfarrbüro samt Besprechungsraum. Dazu könnte ein weiterer Veranstaltungsraum inklusive Küche und sanitärer Anlagen folgen.
Mittels einer ersten Ideenskizze verdeutlichte die Gruppe das Szenario, bei dem der sakrale Raum entsprechend verkleinert wird. Lenzen spricht davon, dass Teilbereiche der Kirche entweiht werden könnten, um mögliche Nutzungen zu realisieren. Was die Finanzierung betrifft, könne zu einem Teil auf öffentliche Gelder zurückgegriffen werden. „Es ist klar, dass es schwieriger wird, eine alte, denkmalgeschützte Kirche umzubauen als eine moderne neue Kirche, wie es in Neersen der Fall war. Es gilt viel zu berücksichtigen, aber es ist möglich“, sagt Kirchenvorstandsmitglied Stephan Steves, als aus den Besucherreihen Fragen nach Belüftung, Licht und Zwischendecken gestellt werden.
Praktisch wird es so aussehen, dass sich drei Architekten, die Erfahrung in sakralen Neu- und Umbauten haben, mit Entwurfsplanungen einbringen werden. Bis zum Herbst soll dafür eine Ausschreibung erfolgen. Dem folgen dann die entsprechenden weiteren Schritte samt Einbindung der Bürger.