Pilotprojekt Rettungsdienst soll von Bagatellfällen entlastet werden

Düsseldorf · Bei einem Pilotprojekt in Köln kooperieren Leitstelle und Arztrufzentrale.  Denn die 112 kennt jeder, die 116 117 kaum einer.

Der Rettungsdienst ist oft auch unterwegs, obwohl es nicht um Gefahr für Leib und Leben geht.

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Die Zahl der Rettungsdiensteinsätze in NRW wächst seit Jahren. Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) stiegen allein die entsprechenden Einsätze der Feuerwehren von 2013 bis 2017 um rund zehn Prozent auf knapp 1,5 Millionen an. Analog zu den überlasteten Notfallaufnahmen handelt es sich laut VDEK dabei längst nicht immer um Notfälle. „Auch Patienten, die zwar erkrankt, aber keine Notfälle sind, rufen den Rettungsdienst, etwa weil der ärztliche Notdienst den Patienten unbekannt ist oder einfach, weil der Erkrankte ungeduldig ist“, so eine Sprecherin gegenüber dieser Zeitung.

Der VDEK bezieht sich bei den Zahlen auf den Gefahrenbericht des NRW-Innenministeriums. Darunter sind auch andere Träger des Rettungsdienstes gefasst, wenn sie von den Feuerwehren angefordert wurden.

Ein Pilotprojekt der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und der Rettungsleitstelle der Kölner Berufsfeuerwehr soll jetzt die Patientensteuerung im Notfalldienst verbessern. Künftig ist die Arztrufzentrale NRW unter der Rufnummer 116 117 für Anrufer aus Köln rund um die Uhr besetzt. Zudem können sich Rettungsleitstelle und Arztrufzentrale auch gegenseitig Anrufer durchstellen. Damit sollen die Patienten dorthin gelotst werden, wo sie hingehören, und der Rettungsdienst von den Bagatellfällen entlastet werden.

Experte fordert
bessere Aufklärungsarbeit

Ein Ansatz, der von Steffen Schimanski, Abteilungsleiter Rettungsdienst des DRK Nordrhein, ausdrücklich begrüßt wird. „Ein hoher Anteil der Einsätze entfällt auf einen Bereich, bei dem die Patienten keinen ernsthaften oder gar lebensbedrohlichen Konsequenzen ausgesetzt sind.“ Dabei sind Fahrten mit Blaulicht und Martinshorn eigentlich nur bei akuter Gefährdung von Leib und Leben erlaubt.

Eine bessere Steuerung reicht nach Ansicht des Experten aber nicht aus. „Wir müssen auch eine bessere Aufklärungsarbeit betreiben.“ Viele der Bagatell­einsätze im Rettungsdienst erfolgten nicht aus Böswilligkeit oder Leichtfertigkeit, „sondern die Menschen befinden sich in einer subjektiven Notsituation und kennen keine Alternativen“. Die 112 sei dagegen allen ein Begriff.

Ziel müsse eine „konsequente Ausbildung der Bevölkerung“ sein. „Mit Ausnahme des Führerscheins und der betrieblichen Ersthelfer gibt es bei uns praktisch keine verpflichtenden Schulungen.“ Es gehe darum, die Menschen ab dem Kindesalter dafür zu sensibilisieren, wo Gefahren lauern, wie man sich selbst hilft und wie man damit umgeht, wenn ein Unfall passiert. „Wer sich in den Finger schneidet, muss nicht den Rettungsdienst rufen.“ Gleiches gelte oft für Bewusstlosigkeit nach langem Stehen, weil im Liegen der Kreislauf meist schon wieder hergestellt sei, ehe die Rettungskräfte einträfen.

Immerhin: Die Zahl böswilliger Anrufe ist gesunken – laut VDEK vermutlich auch, weil „in diesen Fällen auch bei unterdrückten Nummern der Anruf zurückverfolgt werden kann und dem Anrufer dann eine Rechnung droht“.