Kohlebahn bei Neurath blockiert Zeugen im Berufungsprozess haben Erinnerungslücken

Grevenbroich/Mönchengladbach · Am Landgericht Mönchengladbach wurde der Berufungsprozess gegen eine Klimaaktivistin fortgesetzt.

 Dieses Foto zeigt die Befreiung einer der Personen, die sich liegend an die Schienenschwellen gekettet hatten.

Dieses Foto zeigt die Befreiung einer der Personen, die sich liegend an die Schienenschwellen gekettet hatten.

Foto: Kandzorra, Christian

Es waren rund 40 Klimaaktivisten, die am 5. November 2021 an einer Schienenblockade der RWE-Kohlebahn teilnahmen. Neun dieser Aktivisten sollen sich in den frühen Morgenstunden an zwei Stellen nahe des Kraftwerks Neurath angekettet haben. Nach langem Polizei-Gewahrsam wurden vier Personen angeklagt. Dazu zählt eine 24-Jährige, die sich in einem Berufungsprozess vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten muss. In erster Instanz war sie von einer Amtsrichterin in Grevenbroich zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Am dritten Verhandlungstag in Mönchengladbach wurden nun drei weitere Zeugen gehört.

Alle waren als Polizisten am 5. November 2021 im Einsatz. An vieles können sich die Zeugen nach gut zwei Jahren allerdings nicht mehr erinnern. Auf den im Gerichtssaal gezeigten Fotos und Videos sind die an den Schienen angeketteten Personen zwar zu sehen, aber unter Mützen, Jacken und Decken nicht genau zu erkennen. Auch die Frage der Vorsitzenden Richterin Ulrike Flecken an die Zeugen, ob sie die Angeklagte wiedererkennen, konnten sie nicht mit Ja beantworten.

Die rund 15 Zuschauer, zumeist aus der Aktivistenszene, trudelten indes später im großen Gerichtssaal ein. Der Grund: Sie mussten gleich zwei Personenkontrollen im Gericht durchlaufen, weil es in der Vergangenheit mehrmals zu Vorfällen gekommen war, auch im Gerichtssaal. Das Gericht gewährte deshalb zehn Minuten Aufschub. Auch diesmal musste die Richterin mehrmals Zuhörer ermahnen, ruhig zu sein und keine Fragen an die Zeugen zu stellen.

Die Aktivisten von „Block Neurath“ hatten zuvor aufgerufen, den Prozess zu verfolgen. Im Saal 100 gebe es „viel Platz zum Zuschauen und Einmischen“. Eine Frau, die angeblich etwas in den Raum geworfen haben soll, wurde im Prozess von einem Justizwachtmeister im Schwitzkasten aus dem Saal gebracht, wodurch es weitere lautstarke Proteste gab – und was eine Anwältin auf den Plan rief, weil die Richterin die Maßnahme erst im Nachhinein billigte.

Der erste Zeuge, ein 62-jähriger Polizeibeamter aus Wuppertal, leitete den Spezialtrupp, der die Klimaaktivisten von den Gleisen lösen musste. Er erläuterte, wie sich die Aktivisten mit Armrohren oder Beton an die Gleise festgekettet hatten. Durch Ketten und Vorhängeschlösser an ihren Armen konnten sie sich nicht selbst befreien. Obwohl die Aktivisten ihre Handgelenke bei diesen sogenannten Log-Ons mit Mull oder Gips schützen, könne es bei der Befreiung zu Verletzungen kommen.

Im nun verhandelten Fall habe der Zeuge eine Schürfwunde gesehen, aber keine Schmerzensschreie wahrgenommen. Doch daran konnte sich ein anderer Polizeibeamter seines Einsatztrupps sehrwohl erinnern. Ein dritter Zeuge sprach von einer parlamentarischen Beobachterin der Grünen, die er vor Ort gesehen habe.