Das „Tier des Jahres 2019“ Rehe fühlen sich im Tagebau pudelwohl

Grevenbroich. · Auf der Königshovener Höhe lassen sich die Tiere derzeit gut beobachten.

Hunderte Rehe tummeln sich auf der Hochhalde.

Foto: Norbert Wolf

Sein zierliches Äußeres täuscht: „Capreolus capreolus“, so sein wissenschaftlicher Name, ist ein Gewinner: 2,5 Millionen Rehe leben in Deutschland. Das nur 20 Kilo schwere Tier streift durch Wald und Feld, meist allein. „Nur in den Wintermonaten finden sich die Rehe in größeren Gruppen, von uns ,Sprünge’ genannt, zusammen“, berichtet RWE-Förster Michael Zimmer. Immer wieder beobachten Waldprofis und Spaziergänger große Gruppen von 80 bis 100 Individuen in den ausgedehnten Feldfluren der Tagebaue.

„Große Flächen, gute Verstecke, viel Nahrung, wenige Wirtschaftswege, keine Autos“ – das sind nach Zimmers Angaben ideale Rahmenbedingungen für Rehe. Und die finden sie zum Beispiel auf der Königshovener Höhe. „Mit etwas Glück lassen sich dort zurzeit sehr große Rehsprünge beobachten“, sagt der städtische Umweltexperte Norbert Wolf. „Die Tiere stehen auf den weitläufigen Flächen des Plateaus wie auf einem Präsentierteller.“

Wolf beobachtet die Rehe im Rekultivierungsgebiet schon seit geraumer Zeit – und er hat eine besondere Eigenart entdeckt. Während im Wald lebende Rehböcke den juckenden Bast an ihrem ersten Gehörn in der Regel an Bäumen abstreifen – und dabei Schäden verursachen –, haben die „Feld-Rehböcke“ eine ganz andere Methode entwickelt. „Sie stecken das Gehörn in die Erde, um den Bast loszuwerden“, schildert Wolf und gibt zu: „Ich war überrascht, als ich das zum ersten Mal gesehen habe. Offensichtlich sind die Tiere in der Lage, ihr Verhalten in der freien Landschaft umzustellen.“

Ohne Scheu ließen sie sich dabei beobachten. Selbst vor den großen Baggern haben die Rehe keine Angst. Sie durchqueren die Tagebaue und kriechen dabei auch unter den laufenden Bandanlagen durch, berichtet Michael Zimmer. Warum der erfolgreiche Kulturfolger ohne Not zum „Tier des Jahres 2019“ bestimmt wurde, erklärt der Förster so: „Die Deutsche Wildtier-Stiftung möchte dabei auf bestehende Konflikte in der Land- und Forstwirtschaft hinweisen.“

Manche seiner Berufskollegen machen heftig Jagd auf Rehe, weil diese junge Bäume an- und abknabbern und dadurch die Waldverjüngung und das kostspielige Anpflanzen neuer Baumbestände konterkarieren. „Der Verbissdruck ist da“, bestätigt Zimmer, „doch in der Rekultivierung verteilt sich das. Die neuen Wälder und Felder sind so ausgedehnt, dass sie dem Reh schadlos auch als Ort der Nahrungssuche dienen können.“

Vor 150 Jahren war das Reh in Mitteleuropa eher selten. Mittlerweile besiedelt es alle Vegetationsbereiche. „Auch deshalb ist es kein Wunder, dass sich das Reh in unserer Rekultivierung so zu Hause fühlt“, sagt Zimmer.