Früherer Spitzenpolitiker zu Gast in Kaarst Wolfgang Bosbach „predigt“ in Sankt Martinus

Kaarst · Wie bekommt man die katholische Sankt-Martinus-Kirche richtig gefüllt, ohne dass es Weihnachten ist? Dazu muss Wolfgang Bosbach kommen. Der frühere stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion und Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages war am Montag auf Einladung der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) nach Kaarst gereist.

Der Andrang im Saal des Pfarrzentrums war so groß, dass das Ganze kurzerhand in die Kirche verlegt wurde. Dort verschmähte Bosbach den aufgebauten Tisch und Stuhl, sondern stellte sich gleich an den Ambo: „Ich habe im Leben noch nie gesessen beim Reden! Und das hier erinnert mich an meine Zeiten als Lektor“, meinte der Katholik und hatte die Lacher auf seiner Seite.

Über eine Stunde „predigte“ der Homo politicus (71) und bewies sein Können als charismatischer Redner, der das überwiegend ältere Publikum mühelos in seinen Bann zog. Sein immer wieder von Beifall unterbrochener Vortrag beleuchtete nicht nur die Lage der Nation, sondern auch die Lage Wolfgang Bosbachs, denn er spickte seine Ausführungen mit unzähligen privaten und politischen Anekdoten. Gleich zu Beginn stellte er klar: „Das hier ist keine Wahlkampfrede!“ Seit sechs Jahren losgelöst von allen politischen Ämtern, äußert er weiter seine Meinung – mit Humor, der in der Politik sehr hilfreich sei. Er rekapitulierte zunächst die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland von der Vergangenheit bis heute, die Krisen wie die in der Stahl- und Ölbranche meisterte. Bosbach erwähnte Abhängigkeiten von Öl- und Gaslieferanten, die immer politische Gründe hatten, und ordnete die deutsche Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges als Sieg für die Demokratie ein: Sie sei stärker als totalitäre Systeme und verspreche Frieden, Freiheit und Menschenrechte.

Nun zeichneten sich aktuell Verluste von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stabilität ab. Bosbach hat große Sorge wegen Links- und Rechtsradikalen, die niemals an die Macht kommen dürften. In Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stellte er unmissverständlich klar: „Putin darf den Krieg nicht gewinnen!“ Denn dann werde es nicht sein letzter Krieg sein. Sollte Deutschland weiter schwere Waffen liefern? „Ich weiß es nicht“, bekannte der Politiker.

Zur Frage aus dem Publikum nach der Migration antwortete Bosbach, dass jeder selbst für seine Integration zu sorgen habe und die Werteordnung Deutschlands uneingeschränkt zu akzeptieren sei.