Alte Grabsteine: Was vom Leben übrig bleibt

Der Historiker Mike Kunze dokumentiert alte Grabsteine. Er sieht in ihnen denkmalwürdige Quellen, die für die Nachwelt erhalten werden sollten.

Büderich. Im Schatten des Alten Kirchturms in Büderich verbirgt sich in einem Gebüsch ein Relikt vergangener Jahrhunderte. Ein unscheinbar wirkender Grabstein weist das Todesdatum 1625 auf, der Name ist kaum zu entziffern.

Er steht dort nicht von ungefähr, denn in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Pfarrkirche war bis zur Verlegung an den Brühler Weg 1833 ein Friedhof. „Würde man hier graben, käme mit Sicherheit einiges an Knochensplittern zutage“, sagt Mike Kunze.

Der Historiker hat sich zum Ziel gesetzt, alte Grabsteine aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert möglichst lückenlos zu dokumentieren und zu fotografien, um diese geschichtsträchtigen Quellen für die Nachwelt zu erhalten.

„Sie erzählen zum Teil persönliche Tragödien, haben einen empfundenen Denkmalwert, werden aber nach mehreren Generationen entsorgt, wenn sich niemand mehr um die Gräber kümmert“, erklärt Kunze seine Beweggründe.

Dass rund um die Alte Kirche an der Dorfstraße vor allem Priester, andere Würdenträger und Gönner der Kirche bestattet wurden, versteht sich von selbst. „Die Knochen wurden teilweise aber auch in Beinhäusern gesichert. Denn zum einen wollte man nicht neben irgendwem beerdigt werden, zum anderen gab’s da ja auch noch den Glauben an die Auferstehung. Und wenn da plötzlich ein Bein fehlte. . .“, blickt Kunze zurück.

Mit der Aufklärung ging man das Thema Tod mehr mit Verstand, weniger mit Gefühl an. Die Friedhöfe rückten aus dem Zentrum an die Peripherie. Das eigene Standesbewusstsein sollte aber auch nach dem Ableben noch dokumentiert werden. Davon zeugen vor allem die vielen Hochkreuze auf dem Büdericher Friedhof.

„Es ist selten, dass es wie hier noch ganze Alleen gibt“, weiß Kunze. „Darüber hinaus verbot es sich, irgendeinen Wald- und Wiesen-Steinmetz zu beauftragen.“ Das Ergebnis lässt sich auf den Steinen ablesen, auf denen sich die Urheber wie Künstler verewigt haben. Hocherrschaftlich wird es, wenn das Grab sogar mit einem Gitter eingezäunt ist.

Typisch für Büderich ist der häufig auftretende Abschiedsgruß „Auf Wiedersehen“. Und natürlich gibt es auch Gräber, in denen gleich mehrere Generationen einer Familie unter der Erde liegen — entsprechend groß ist der Stein, um die ganzen Namen und Todesdaten aufnehmen zu können. So gibt es in Büderich einen Grabstein, der mit 1866 beginnt und vorläufig bei 2008 endet.

Auch die Symbolik ändert sich im Verlauf der Jahrhunderte: Die gesenkte Fackel als Zeichen großer Trauer wird in Kriegszeiten vom Eisernen Kreuz abgelöst bis man doch wieder bei den Klassikern des Christentums angekommen ist. Ganz selten sind Kindergräber. Kunze: „Früher war die Sterberate bei Kleinkindern viel höher. Da war es üblich, einem Kind erst ab einem bestimmten Alter einen Namen zu geben — damit die Trauer im Todesfall nicht zu groß wird.“