Meerbusch im Wandel Die verschiedenen Gesichter des "Deutschen Ecks"

Büderich. · Einer der verkehrsreichsten Plätze in Büderich hat sich im vergangenen Jahrhundert stark verändert.

Die historische Aufnahme zeigt das Deutsche Eck etwa zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Gabelung lässt sich gut erkennen.

Foto: Repro Mike Kunze/Stadtarchiv

Ursprünglich lag der Knotenpunkt von Römer-, Ost-, Düsseldorfer und Neusser Straße im freien Feld. Nur die heutigen Hauptstraßen gab es hier schon seit Urzeiten, über einige zogen bereits die Römer auf ihrem Weg am Limes zwischen den Lagern Novaesia (Neuss) und Gelduba (heute Krefeld-Gellep) entlang, um ihr Reich vor germanischen Eindringlingen zu schützen.

In Mittelalter und Früher Neuzeit trafen sich hier die Wege nach Neuss, Köln und Heerdt, beziehungsweise zum Gerichtsort Linn in der anderen Richtung. Die Gegend war so abgelegen, dass im Winkel von Neusser und Oststraße ein Leprosenhaus errichtet wurde, in dem Menschen mit unheilbaren oder ansteckenden Krankheiten isoliert wurden. Versorgt wurden sie vom nahen Hockshof, dessen Eigentürmer das Kloster Meer war und das hier ein Zeichen der barmherzigen „Krankenpflege“ setzte. Die nahen Straßen ermöglichten den Ausgestoßenen, durch Betteln etwas Geld zu erwerben.

Erst um 1900 herum entdeckte der Büdericher Wirt Wilhelm Bierewitz den Straßenknotenpunkt als Standort für sein Lokal. Das imposante Gebäude, auf das die Düsseldorfer Straße vom neuen Büdericher Zentrum an der Mauritiuskirche ausgenau zulief, nannte er „Zum Deutschen Eck“, weil ihn die Straßenführung an den Zusammenfluss von Rhein und Mosel in Koblenz erinnerte.

Heute: Deutsches Eck an der Düsseldorfer Straße

Foto: Ja/Anne Orthen (ort)

Kleines Unterzentrum entwickelte sich in den späten 1950ern

In Hochzeiten des preußisch-deutschen Nationalismus war hier ein populäres Kaiser-Wilhelm-Denkmal entstanden und jedem ein Begriff. Rund um das Gasthaus siedelten sich bald auch Menschen und weitere Geschäfte an, so dass hier ein aufstrebender kleiner Ortsteil entstand, der Bürgerlichkeit und Wohlstand widerspiegelte. Viele Bauherren waren aus dem Umland in die Gemeinde Büderich gezogen. Während viele Häuser aus dieser Zeit noch erhalten sind, ist das Hotel von 1905 mit dem hohen Schweifgiebel längst Geschichte. Am 1. August 1942 setzte ein Bombentreffer der Herrlichkeit ein Ende, das stolze Haus brannte aus, und die Gemeinde ließ es ohne Rücksprache mit den Besitzern abbrechen. In der Folge wurde hier ein „Bunkerrestaurant“ betrieben, bis 1951 ein Neubau mit roter Klinkerfassade errichtet wurde. Im Wirtschaftwunderland entstanden auch neue Wohn- und Geschäftshäuser mit einem ersten Supermarkt und der Eisdiele von Antonio Pra Levis, die vor 60 Jahren eröffnet wurde. Natürlich durften auch zwei große Tankstellen nicht fehlen.

Für die zunehmende Bevölkerungszahl und vor allem für die Berufspendler wurde die verzwickte Verkehrsführung mit mehreren Ampeln und Einmündungen zunehmend unübersichtlicher und für Anwohner und Geschäfte immer unattraktiver. So reifte in den 1990er-Jahren der Plan, das „Deutsche Eck“ grundlegend umzugestalten, was in den Jahren 1995 bis 1997 auch geschah. Ebenso das neue Gasthaus – mittlerweile längst ein griechisches Restaurant – wurde abgerissen und ein Neubau rund 100 Meter zurückverlegt errichtet.

Heuer sind Hotel und Gastronomie getrennt. Wo das alte Gebäude stand, errichtete ein Investor einen großen Gewerbeblock, der mittlerweile viele verschiedene Nutzungen erlebte und die von Politik und Stadtplanern angestrebte Belebung des Unterzentrums nur bedingt erreichen konnte. Durch eine neue Straßenführung wurde der Verkehrsfluss vereinfacht und ein neuer Platz war entstanden, den Gastronomen nutzen und auf dem die Schützen alljährlich zu Beginn der Schützenfestes ein Platzkonzert veranstalten. Inmitten des Verkehrstrubels ist eine gewisse Ruhe eingekehrt, die seit 120 Jahren hier nicht
vorstellbar war.