Diskussion: „Hat Recken die Ehre verdient?“
Neuer Gesichtspunkt in der Diskussion um die mögliche Umbenennung der Hugo-Recken-Straße.
Meerbusch. Die Diskussion um eine mögliche, für viele Beteiligte dringend notwendige Umbenennung der Hugo-Recken-Straße ist um eine neue Sichtweise reicher. Zwei ehemals in Meerbusch wohnhafte, inzwischen in Jena lebende Historiker haben eine Stellungnahme aufgesetzt, die an Bürgermeister Dieter Spindler und die Mitglieder des Stadtrates versandt wurde.
Das der WZ vorliegende Schreiben von Janine Gaumer und Jan Neubauer ist von 21 weiteren noch oder ehemals in Meerbusch wohnhaften Bürgern, darunter viele Akademiker, unterzeichnet worden. Sie unterstützen das Ansinnen, die eigentlich wesentliche Frage der Debatte nicht aus den Augen zu verlieren. Dass die Stadt die Stellungnahme ernst nimmt, bestätigt deren Sprecher Michael Gorgs: Die Thesen von Gaumer und Neubauer sollen im nächsten Hauptausschuss am 14. Februar thematisiert werden.
Die beiden Historiker gehen von folgender zentraler Fragestellung aus: Hat der ehemalige Osterather Bürgermeister die Ehre verdient, dass eine Straße nach ihm benannt ist? Um ihre Antwort vorwegzunehmen: Das hat er nicht.
Auf zwei Seiten untermauern die in Meerbusch aufgewachsenen und nach eigenen Angaben nach wie vor eng mit der Stadt verbundenen Gaumer und Neubauer ihre Forderung mit Argumenten, denen man sich nur schwer verschließen kann. Recken sei 1933 aus freien Stücken in die NSDAP eingetreten. Unabhängig davon, ob dies aus existenzsichernden und opportunistischen Gründen geschehen sei, habe er sich durch diesen Schritt dazu entschlossen, „nicht gegen oder fern von, sondern mit und durch das nationalsozialistische System zu leben und es als Amtsträger zu stützen“.
Schon der Abschlussbericht von Stadtarchivar Michael Regenbrecht und seiner Arbeitsgruppe habe gezeigt, dass Recken alles andere als ein Widerstandskämpfer war. Vielmehr sei er über zentrale Maßnahmen des Holocausts wie Verhaftungen und Deportationen gut informiert gewesen.
Dennoch gehe es in keiner Weise darum, Recken im Nachhinein an den Pranger zu stellen. „Es geht lediglich um die Frage, ob Recken ein solch ehrenwerter Mann war, dass eine Straße nach ihm benannt sein sollte“, machen die beiden Historiker deutlich — und nennen Gegenbeispiele wie die Geschwister Scholl oder Dietrich Bonhoeffer.
Die wichtigste Aussage der Historiker lautet daher: „Es sollte in unserer heutigen Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein, dass eine Person, die dem nationalsozialistischen System gedient hat, die Ehre einer Straßenbenennung nicht verdient hat.“
Gaumer und Neubauer räumen ein, dass eine Straßenumbenennung der Person Reckens gegenüber manchem ungerecht erscheinen mag, da der sich seine Lebenszeit nun mal nicht aussuchen konnte. Aber letztlich seien dies Gedanken, die ein Straßenschild nicht reflektieren könne. Eine Umbenennung der Hugo-Recken-Straße würde jedoch eine ausdrückliche Distanzierung von der Zeit des Nationalsozialismus bedeuten.