Geschichten aus den Ortsteilen
Claudia Kuhs bietet Führungen an — als Erste durch drei Stadtteile auf einmal. Anekdoten kommen dabei nicht zu kurz.
Claudia Kuhs fand Geschichte in ihrer Schulzeit „total langweilig“. Vielleicht liegt es genau daran, dass ihre Geschichten, die sie als Stadtführerin zu den Bauwerken in Meerbusch, erzählt, eines definitiv nicht sind: langweilig.
Das Interesse für Geschichte wurde in ihrer Jugend geweckt: Als 18-Jährige arbeitete Kuhs im Nebenjob als Museumsführerin in ihrer Heimatstadt Münster. Nun versucht die 47-Jährige in Meerbusch, ihre Gäste mit Geschichten für Geschichte zu begeistern.
Claudia Kuhs ist nicht die Einzige, die in Meerbusch Stadtführungen anbietet. Auch Heimat- und Geschichtsvereine laden zu Führungen durch die einzelnen Stadtteile ein. Was Kuhs’ Tour jedoch einzigartig mache, sei die „Stadtteilgrenzen übergreifende Führung“, sagt die gelernte Industriekauffrau. „Gerade die unterschiedlichen Entwicklungen der drei bis 1970 unabhängigen Gemeinden Büderich, Lank und Osterath machen die Stadtführung so interessant.“
So erfahren die Teilnehmer bei ihr, warum gerade in Büderich so viele Künstler wie zum Beispiel Joseph Beuys wohnten und wirkten, dass Lank durch die Kirche — schließlich gibt es dort den „Lanker Dom“ — schon im Mittelalter eine große Rolle gespielt hat und dass Osterath die stärkste industrielle Entwicklung von allen Meerbuscher Ortsteilen durchlebte. Die St. Nikolaus Kirche in Osterath erscheint weitaus imposanter, wenn man erfährt, dass diese eigentlich anders herum stand und dass auch der Brunnen auf dem Kirchplatz davor nicht aus Zufall, sondern auf expliziten Wunsch des aus Osterath stammenden Künstlers Wilhelm Hable an genau jener Stelle zwischen Kirche und Dorfschänke steht. Grund dafür ist eine der Grusel-Legenden über den Heiligen Nikolaus. All solche Geschichten erzählt Kuhs während der rund dreieinhalb Stunden langen Stadtführung.
Start der Tour ist am Dr. Franz-Schütz-Platz in Büderich. Während die Strecke zwischen den Stadtteilen mit dem Bus zurückgelegt wird, ist die Gruppe vor Ort zu Fuß unterwegs. Immer wieder werden Zwischenstopps eingelegt. Am Marktbrunnen in Lank lernen die Teilnehmer, dass der Brunnen von Künstler Michael Franke gestaltet wurde und dieser sich dabei vom alten Lank-Latumer Stadtwappen mit Erdbeeren, Kirschen und Spargel inspirieren ließ. Zusätzlich hat die Stadtführerin dort eine Anekdote parat: „Im Jahr 37 nach Christi hat Kaiser Tiberius den römischen Legionen befohlen, dass sie immer im Frühling das ,seltsame Gemüse’ Spargel von ihren Touren durch die Region mitzubringen haben.“
Der dreifachen Mutter ist es wichtig, dass ihre Zuhörer nicht nur Informationen vermittelt bekommen, sondern sich vielmehr mit Hilfe von Geschichten in die damalige Zeit hineinversetzen können. Denn sie weiß, dass die meisten Besucher wenig Interesse daran haben, trockene Zahlen und Fakten vermittelt zu bekommen. Und die Familienführungen kommen gerade wegen der kindgerechteren Erklärungen oft auch bei den Erwachsenen gut an.
Claudia Kuhs Werdegang als Stadtführerin gleicht ebenfalls einer Geschichte: Trotz des neu erweckten Geschichtsinteresses hat sie nach der Schule zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert, dann jedoch festgestellt, „dass ich lieber mit Menschen anstatt mit Papier arbeiten möchte“.
Sie zog nach London, dort hat sie im Tourismusbereich gearbeitet. Ein neuer Job zog sie anderthalb Jahre später nach Meerbusch. Ein Zeitungsartikel über Stadtführungen in Düsseldorf erinnerte sie vor acht Jahren an ihre „alte Liebe Stadtgeschichte“, so dass Kuhs sich kurzerhand bei Düsseldorf Marketing Tourismus (DMT) zur Museumsführerin ausbilden ließ. Jetzt lässt sie sich zusätzlich zur Gästeführerin zertifizieren.