Kabarett: Ein Anarchist im Unruhestand
Heinrich Pachl ist trotz aller Krisen überzeugt: „Das überleben wir!“.
Lank. Er hat schon auf vielen Bühnen politisches Asyl gefunden und wurde diese Woche auch im Forum Wasserturm mit offenen Armen empfangen: Heinrich Pachl könnte schon längst den verdienten Ruhestand genießen, doch es drängt den 67-Jährigen immer wieder ins Rampenlicht, um dem Zuschauer seine Sicht der Dinge darzulegen. „Das überleben wir!“ übt er sich in seinem aktuellen Programm in Durchhalteparolen — nicht ohne jede Menge Argumente anzuführen, warum Politikverdrossenheit eigentlich angemessen wäre.
Dabei bedient sich der Kleinkunst-, Grimme- und Kabarett-Preisträger nur zu gerne der Sprache, stellt sie auf den Kopf, seziert genüsslich den Duktus der Volksvertreter und reiht ohne Punkt und Komma einen vor Sarkasmus überquellenden Satz an den nächsten. Da verzeiht man Pachl auch gerne, dass manche seiner Endsilben in genuscheltem Gemurmel untergehen.
Es bleibt nicht aus, dass der Zuschauer im Verlauf eines Abends Mitleid mit dem Kölner empfindet. Denn Pachl schaut offensichtlich jede Polit-Talkshow — rein aus Studiengründen, versteht sich. Und dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass der Alt-Anarcho ein wenig vergangenen Zeiten nachweint. Der Kohl hatte halt doch mehr Angriffsfläche als die Merkel, schon rein körperlich.
Das heißt aber nicht, dass Heinrich Pachl sich ausschließlich in rührseligen Reminiszenzen ergeht. Den einen oder anderen Polit-Protagonisten, den es lohnt durch den Kakao zu ziehen, hat die Berliner Bühne dann ja doch zu bieten. Guttenberg zum Beispiel, dessen mit viel Pathos und rhetorischen Pirouetten inszenierter Rücktritt von wahrer Größe gezeugt habe.
Pachl liest viel vom Blatt ab, wirkt bisweilen wie ein kabarettistischer Dozent. Aber das verzeiht man ihm, denn sein Programm beruht eigentlich auf einer in sich runden Geschichte, die einem roten Faden folgt. Das vergisst der Zuhörer bei derart vielen Abschweifungen nur allzu schnell — und wundert sich dann anerkennend, dass es Pachl immer wieder gelingt, an den Ausgangspunkt seiner Tiraden zurückzugelangen.
Es ist zu bezweifeln, dass der 67-jährige Kabarettist alter Schule jemals müde wird in dem Drang, sich die Absurditäten der Politik vorzuknöpfen.