Land will in der Konverter-Frage vermitteln
NRW-Regierung sagt Unterstützung in der Debatte zu. Netzbetreiber Amprion will bis Ende des Jahres Klarheit über den Standort.
Rund 200 Interessenten füllten die Aula der Realschule Osterath bei einer von Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage einberufenen Sondersitzung. Mit Plakaten und Bannern zeigten Teilnehmer ihren Protest gegen den Bau eines Stromkonverters in Osterath. Das Ergebnis vorweg: Das Land hat signalisiert, nun doch vermittelnd einzugreifen. Der Regionalrat wird aufgefordert, ein Bekenntnis zur Fläche in Kaarst abzugeben. Die Städte Meerbusch und Kaarst haben sich auf einen Schulterschluss geeinigt, um den besten Standort zu suchen. Die Botschaft von Amprion: Bis Jahresende muss der Standort feststehen.
Die Besucher machten bereits vor und während der Sitzung lautstark auf sich aufmerksam. Zwischenrufe wie „Es geht nur ums Geld“ und „Der Mensch als Gut wird nicht wahrgenommen“ gingen während der Veranstaltung durch die Menge. Der Einladung der Bürgermeisterin waren unter anderem vier Experten von Netzbetreiber Amprion, zwei Vertreter der Bundesnetzagentur und Siegfried de Witt, Anwalt der Stadt Meerbusch, gefolgt.
Amprion machte in der Sitzung klar: Osterath läuft die Zeit davon. „Wir brauchen bis Herbst eine Entscheidung über den Standort“, sagte Thomas Wiede, Sprecher von Amprion. Im Notfall ließe sich die Entscheidung auch bis Ende des Jahres hinauszögern. „80 Prozent des Projektes können wir unabhängig vom Standort planen. Für den Rest brauchen wir die Ortslage, damit sich die Hersteller auf die Gegebenheiten einstellen können.“ Die Zeit drängt, da die südliche Trasse nach Baden-Württemberg 2021 fertiggestellt und in Betrieb genommen werden soll. Bis dahin muss der Konverter stehen. Da bis 2022 alle Atomkraftwerke bundesweit abgeschaltet werden sollen, entsteht in NRW eine Versorgungslücke. Diese könnte mithilfe des zugelieferten Stroms und des Konverters gefüllt werden. Die nördliche Trasse Richtung Emden soll hingegen 2025 fertig werden.
Die Bürgermeisterin sprach zu Beginn der Sitzung von einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Stadt Kaarst. Beide Städte fordern, dass es zu einem Schulterschluss aller beteiligten Kommunen kommen müsse, die Verantwortung dürfe nicht von Behörde zu Behörde weitergeschoben werden. Zusätzlich warf sie der Landesregierung vor, seit 2012 die Kommunen in der Umsetzung des Vorhabens nicht zu unterstützen. „Weder die Bezirks-, noch die Landesregierung haben sich hier je eingebracht“, so Mielke-Westerlage.
Das aber habe sich kurz vor der Sondersitzung geändert: Mielke-Westerlage berichtete von einem Anruf aus dem Wirtschaftsministerium. „Sie sehen sich jetzt in der Verpflichtung, vor allem vor dem Hintergrund der Energiewende in unseren Prozess vermittelnd einzugreifen.“ Das sei neu, so Mielke-Westerlage. Sie setze auf den neuen Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), aber auch auf die neue Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher, die sich beide des Themas annehmen wollen.
Das große Problem der gesamten Diskussion: Der von allen Anwesenden bevorzugte Standort auf der Dreiecksfläche in Kaarst ist im Moment nicht verfügbar. Grund dafür ist vom Regionalrat festgelegter Kiesabbau auf dem Grundstück, das für das Bauvorhaben auch Experten zufolge bestens geeignet wäre. Dies bedauert auch Amprion: „Unser Vorzugsland bleibt Kaarst“, sagte Lars Rößing. „Aber wenn wir kein politisches Signal diesbezüglich bekommen, werden wir 2018 mit dem Standort Osterath ins Rennen gehen.“
Die Bundesnetzagentur gibt sich in der Situation machtlos. „Der Regionalrat muss das entscheiden, entweder aktiv oder durch Nichtstun“, sagte Matthias Otte. Auf die Frage von Norma Köser-Voitz (CDU), ob die Bundesnetzagentur sich nicht über die Zielsetzung des Regionalrates hinwegsetzen könne, verwies Otte auf das juristische Risiko. „So etwas gab es bislang nicht, aber die gerichtliche Gefahr ist immens.“
Nach der Sondersitzung hatten die Besucher die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Viele Meerbuscher zeigten sich aufgebracht. „Den Kiesabbau höher zu stufen als die Einwohner in Kaarst — das ist menschenverachtend. Die anwesenden Politiker müssen Einfluss auf den Regionalrat nehmen“, sagte Waldemar Freudenfeld. Eine andere Bürgerin machte sich Sorgen um den Lärm. „Ich wohne in der Nähe von Autobahn, Flughafen und Bahn — und jetzt soll noch ein Konverter dazu kommen. Das ist eine Summierung von Lärm.“ Diese Bedenken konnte auch Amprion nicht aus dem Weg räumen. „Der Konverter macht bei 400 Meter Abstand ungefähr einen Lärmpegel von 30 Dezibel“, gab Mikschaitis zu. Morgen findet ab 15 Uhr eine Demonstration gegen den Bau des Stromkonverters auf dem Kirchplatz in Osterath statt.