Historisches aus Meerbusch Der große Zwist um den Nauenhof

Serie | Meerbusch · Ein Adliger hatte ein Auge auf den Hof geworden, dessen Pächter den Erzbischof einschaltete. Auch bei den Nachfahren gab es Streit.

Das 300 Jahre alte Wohnhaus präsentiert sich idyllisch inmitten von Wiesen und Bäumen.

Foto: Mike Kunze

Der Nauenhof liegt heute friedlich in einer Kurve gegenüber des Hauses Latum, aus Richtung Ossum kommend kurz vor dem gleichnamigen Ortsteil von Lank. Aber der Friede täuscht. Die Geschichte des Bauernhofes war im 18. Jahrhundert von jahrelangem Zwist zwischen den Nachbarn geprägt.

Verursacher der Auseinandersetzung war Johann Christoph von Backum, der auf dem Haus Latum saß und 1714 Erbpächter der Kölner Hofkammer werden wollte. Die Hofkammer war eine Verwaltungsbehörde, die sich um die Besitzungen und Einkünfte des Kölner Erzbischofs als Kurfürst von Köln kümmerte. Dieser Behörde hatte von Backum nun vorgeschlagen, den benachbarten und wohl recht baufälligen Nauenhof auf eigene Kosten neu zu erbauen, wenn er diesen anstelle des bisherigen Pächters in Erbpacht verliehen bekommen würde. Die Hofkammer befürwortet die Idee des Vogt-Majors von Aachen und schuf damit zunächst Fakten. Nun aber schwärzte der bisherige Pächter Heinrich Sassen, der seine Position bedroht sah, den adeligen Nachbarn beim Domkapitel an, das seinerseits 1715 intervenierte und befürchtete, dass das Gut auf dem Wege der Erbpacht dem Kurfürsten entfremdet werden würde. Das Domkapitel argwöhnte, dass „diese von euch erschlichene Verfügung zu ewerem unfehlbahr mercklichen Schaden gereichen dörffte“, und meinte damit den Landesherrn.

Der Pächter warf in seiner Not von Backum vor, er wolle die Besitzungen mit seinen Gütern vermischen, was das Domkapitel alarmiert hatte. Der Freiherr hingegen zeigte sich erbost, dass man, ohne ihn anzuhören, „einem Bawren“ Glauben schenke. Trotz der Auseinandersetzung hatte von Backum den Hof in seine Hand gebracht und den Pächter zu St. Martin 1716 genötigt, das Gut zu verlassen. Der klagte nun, man habe ihn und seine Familie mitten im Winter mittellos aus ihrem Heim vertrieben, und verlangte Entschädigungen für seine Aufwendungen zum Erhalt des Hofes in den letzten 25 Jahren. Bei ihrem Auszug ließ die Familie lediglich einen eisernen Ofen im Haus zurück.

Auch für von Backum war der Disput noch nicht beendet, erst Ende 1724 hielt er den begehrten Erbpachtbrief in Händen, weil sich die Querelen zwischen Hofkammer und Domkapitel dahinschleppten und zeitweise sogar eingeschlafen waren, ohne ein Ergebnis zu zeitigen.

Damit dürfte dann auch der versprochene Neubau des Hofes erst 1725 begonnen haben, denn mittlerweile war der Nauenhof „dergestalt vergenglich und paufällig, daß nit wohl mehr darinnen zu wohnen“ sei. Rund 700 Reichstaler – fast das Neunfache der jährlichen Erbpacht – hatte von Backum dafür veranschlagt. Deshalb war übrigens auch die Hofkammer mit der Erbpacht einverstanden, denn sonst wären ihr diese Kosten zur Last gefallen.

Während Scheune und Backhaus schon vor etwa 100 Jahren untergegangen sind, steht das Wohnhaus mit dem ehemaligen Stall unter einem Dach noch heute. Wie der Vorgängerbau ist es im Kern bis heute ein Fachwerkhaus. Man sieht aber deutlich, dass auch von Backum nicht die teuersten Balken beschafft hatte.

Den zweiten Zwist verursachte Johann Christoph von Backums Nachkomme Rudolf Constans von Geyr-Schweppenburg. Dieser war Ende des 18. Jahrhunderts in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und verkaufte den Nauenhof 1787 an seinen Pächter Andreas Wellen. Eine Klausel des Kaufvertrages sah allerdings eine Wiedereinlöse innerhalb von 20 Jahren vor, was nicht unüblich war. Diese Karte zog aber bald dessen Sohn Ferdinand, der eigentlich Domherr zu Lüttich war. Die Eltern hatten ihm das Recht zu Wiedereinlöse übertragen. Allerdings fehlte dem jungen Freiherrn das nötige Kleingeld, das er sich unter anderen beim Schwiegervater Wellens lieh.

Hohe vereinbarte Rückzahlungssumme

Die Rückzahlung der 8275 Reichstaler – einer ausgesprochen stolzen Summe – sollte aus jährlichen Holzverkäufen bewerkstelligt werden. Der erste Verkauf wurde im Dezember 1791 angesetzt und spülte tatsächlich die vorgesehene Rate von 1.000 Reichstalern in die Kassen. Aber offenbar muss von Geyr entgegen den Verkaufsbedingungen Bezahlungen selbst eingenommen haben, sodass Wellen, der vom Eigentümer wieder zum Pächter geworden war, schließlich im Namen seines Schwiegervaters den legendären Pastor Wilhelm Jacobs von der Kanzel herab verkünden ließ, dass jeder, der noch Zahlungen an von Gyer zu leisten habe, ausschließlich an ihn zahlen dürfe. Ferdinand von Geyr reagierte wutentbrannt auf die „beständigen eigenmächtigen Quatularien, Grossprechereien und öffentlichen Verleumdungen von euch und eurem Schwiegervater“ und forderte einen öffentlichen Widerruf. Allerdings hatte er wohl übersehen, dass Wellen und Schmitz einen gerichtlichen Titel in der Hand hatten.

In der Folge bestellte von Geyr seinen Pächter zur Generalabrechnung am 30. Dezember 1791, was bedeutet, dass er Wellen die Pacht aufgekündigt hatte und dieser den Nauenhof verlassen musste. Wellens Schwiegervater ging auf Nummer sicher und ließ den nächsten Holzverkauf so ankündigen, dass der Zahltag auf Fastnacht 1792 bestimmt wurde. Zu diesem Termin wolle er persönlich aus dem bergischen Egen nach Latum auf den Nauenhof kommen, um die Zahlungen in Empfang zu nehmen. So sicherte er sich die Gelder.