Engagierter Meerbuscher Ein Jahr unter Seeleuten

Meerbusch · Der 18-jährige Lucas Kopp aus Büderich macht ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Seemannsmission in Bremerhaven. Die Arbeit mit Menschen verschiedenster Kulturen fasziniert ihn.

Der 18 Jahre alte Lucas Kopp aus Meerbusch macht ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Seemannsmission in Bremerhaven.

Foto: RP/Lucas Kopp

Schon seit Jahren stand für Lucas Kopp aus Büderich fest, was er im Jahr nach seinem Abitur machen wollte. Im vergangenen Jahr hat er seine schulische Laufbahn am Mataré-Gymnasium beendet und arbeitet jetzt seit über elf Monaten im Freiwilligen Sozialen Jahr bei der Seemannsmission in Bremerhaven direkt an der Nordseeküste. Dort kümmert er sich um die Belange von Seeleuten aus der ganzen Welt – und genießt jeden Tag.

„Ich habe schon immer gern die Dokumentationen der NDR auf Youtube geschaut“, berichtet der 18-Jährige. „Einmal ging es auch um Bremerhaven und die dortige Seemannsmission. Ich wusste sofort, dass ich das auch machen will.“ Seither sind mehrere Jahre vergangen, aber Lucas Kopp konnte sich nichts anderes ausmalen. „Ich habe damals noch gar nicht darüber nachgedacht, ob ich ein FSJ machen will, aber nachdem dieser Entschluss feststand, konnte ich mir für die Zeit nach dem Abi nichts anderes vorstellen.“ Ende 2021, in der zwölften Klasse, hat er sich dann beworben.

Die Seemannsmission ist eine Einrichtung der evangelischen Kirche, die sich in verschiedenen Hafenstädten um die Besatzung der Schiffe kümmert, die dort einige Stunden oder Tage verbringen. 15.000 bis 20.000 Seeleute nehmen allein in Bremerhaven dieses Angebot jährlich an. „Seemannsmission beginnt mit der Erkenntnis, dass Menschen an Bord der Schiffe leben und arbeiten“, ist im Leitbild der Organisation zu lesen. Und mit diesen Menschen hat der junge Büdericher jetzt seit fast einem Jahr täglich Kontakt. Die Seemannsmission unterhält in Bremerhaven ein Seemannshotel, wo die Schiffsbesatzungen unterkommen, und einen Club, in dem Lucas Kopp arbeitet. Dort gibt es einen kleinen Laden mit Getränken, Snacks, Hygieneartikeln – und, das ist laut dem Meerbuscher FSJler das wichtigste – Sim-Karten, damit die Kunden mit ihren Familien Kontakt halten können, die häufig auf der anderen Seite der Welt leben. Außerdem gibt es Billardtische und Tischtennisplatten, draußen kann Fußball oder Basketball gespielt werden.

16-Stunden-Schicht
mit einer kurzen Pause

Das Team der Seemannsmission kümmert sich um die Matrosen, hilft bei Fragen, gibt Tipps für den Aufenthalt in der Stadt oder verleiht kostenlose Fahrräder. „Viele wollen auch in einen Supermarkt gefahren werden, um dort deutsche Produkte einzukaufen“, erzählt Lucas Kopp. Der Club hat täglich von 15 bis 22 Uhr geöffnet, die FSJler sind häufig die erste Anlaufstelle für Seeleute, die neu ankommen, und stehen als Ansprechpartner für alle Sorgen zur Verfügung.

„Von ernsten Problemen oder Missständen berichten allerdings die wenigsten“, weiß der FSJler inzwischen aus Erfahrung. Auch hier kann die Seemannsmission vertraulich helfen, es gibt Kontakte zu verschiedenen anderen Organisationen, aber die Angst der Seeleute ist zu groß. „Es gibt schwarze Listen, die Menschen haben Angst, sich zu beklagen, denn sie fürchten, wenn etwas auf sie zurückverfolgt werden kann, keine Anstellung mehr auf Schiffen zu finden“, so der Büdericher. Bei den Besuchen der Seemannsmissions-Mitarbeiter an Bord – auch das gehört zu den Aufgaben der FSJler – hat ihm ein Besatzungsmitglied von einer 16-Stunden-Schicht mit einer kurzen Pause im heißen Maschinenraum erzählt. „Aber offiziell beschweren tun sich die wenigsten, auch nicht bei uns“, so Lucas Kopp.

Was er an der Arbeit schätzt, ist die Vielfalt: „Kein Tag ist wie der andere.“ In Bremerhaven kommt der Büdericher mit Menschen verschiedenster Kulturen zusammen. „Viele Filipinos, Inder und Ukrainer, aber auch Russen, Amerikaner, alles ist dabei.“ Und auch unter diesen Menschen verschiedenster Herkunftsländer geht es immer friedlich und kollegial zu. Streit, etwa zwischen Russen und Ukrainern, hat Lucas Kopp nicht erlebt. „Die Leute sehen sich in erster Linie als Seemänner, und damit als Kollegen“, sagt der 18-Jährige. Die Verständigung auf Englisch ist zumeist kein Problem. Mit einigen hat er ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut und verbringt auch nach der Arbeit Zeit mit ihnen. „Das Besondere ist die Dankbarkeit. Die Seeleute sind hier auf sich gestellt, kennen niemanden und in der Regel auch die Stadt nicht – ich kann gar nicht zählen, wie oft sie sich am Tag bei uns bedanken.“

In einige Wochen wird Lucas Kopp die Seemannsmission in Bremerhaven verlassen, um – nach einem kurzen Zwischenstopp im heimischen Meerbusch – in Hamburg ein duales Studium im Logistikmanagement zu beginnen. Er kann sich gut vorstellen, später auch in der Hafenwirtschaft zu arbeiten.

Aus seiner Zeit bei der Seemannsmission nimmt er viel mit. „Ich habe erfahren, dass das Geben so viel schöner ist als das Nehmen“, so der 18-Jährige. Und er wird mit einem neuen Blick durch die Supermärkte gehen. „90 Prozent des weltweiten Warenverkehrs geht über Schiffe. Ohne die Arbeit der Seeleute wären unsere Regale leer. Und ohne die Arbeit der Seemannsmission würde es diesen so wichtigen Menschen in unseren Häfen längst nicht so gut gehen.“