Rhein-Kreis Neuss: Griff in Rücklage rettet Kreis

CDU und FDP verabschieden Haushalt. Gegner kritisieren fehlende Perspektive.

Rhein-Kreis Neuss. Während die schwarz-gelbe Koalition auf Bundesebene nur schwer einen gemeinsamen Kurs findet, könnte es im Kreistag kaum inniger zugehen: Die Mehrheit von CDU und FDP verabschiedete gestern mit Unterstützung der Zentrumspartei den Haushalt 2010. SPD, UWG, Grüne, Linke und Pro NRW verweigerten dem Zahlenwerk ihr Einverständnis.

Seine erste Haushaltsrede als CDU-Fraktionsvorsitzender hatte Dieter Welsink optimistisch unter das Motto "Keiner lebt für sich allein" gestellt. Er appellierte an Solidarität und Verantwortung, die man den Städten und Gemeinden, freien Wohlfahrtsträgern und auch Trägern privater Schulen in schwierigen Zeiten schulde.

Der Christdemokrat setzte auf Zuversicht, auch wenn zum zweiten Mal ein nicht ausgeglichener Haushalt mit einem Defizit von rund 15Millionen Euro beschlossen werde. "Ein defizitärer Kreishaushalt muss uns alle anspornen, verstärkt strukturelle Veränderungsmöglichkeiten zu analysieren, so dass wir schon 2011 wieder einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen können", forderte Welsink. Wichtige Impulse verspreche man sich da vom neuen Dezernenten Nicolas March.

Man könne zwar keine Geldquellen sprudeln lassen, habe aber äußerste Zurückhaltung geübt, um die Städte und Gemeinden "nur mit der wirklich unumgänglichen Erhöhung der Kreisumlage in Höhe von 0,95 Prozentpunkten zu belasten". Trotz sinkender Einnahmen und hoher Sozialausgaben müsse man den Schuldenberg kontinuierlich abbauen: "Wir verfolgen weiterhin unsere bewährte solide und gemeindefreundliche Finanzpolitik."

SPD-Chef Rainer Thiel warf der schwarz-gelben Mehrheit Realitätsferne vor. Sparansätze seien im Haushalt nicht erkennbar, ein "Weiter so!" reiche nicht. Es fehle die Bereitschaft, durchgreifende Maßnahmen einzuleiten. Die Idee, auf kommunale Zusammenarbeit zu setzen, sei zwar nicht neu, mache aber Sinn. "Die Städte können nicht nur Aufgaben an den Kreis abgeben, sondern auch umgekehrt. Was brauchen wir Doppelfunktionen", fragte Thiel. Verbesserungsmöglichkeiten sieht er etwa bei der Sportförderung oder in der Familienpolitik.

Die Haushaltssatzung sei unsolide, die wahren Probleme würden in die Zukunft verschoben: "Wir greifen in die Rücklage und das war’s eigentlich", urteilte der SPD-Mann. Gewaltig ärgere er sich über die Neubesetzung der Dezernentenstelle: "Wir brauchen diese Stelle nicht, sie ist ein teures Zugeständnis an die FDP", polterte er. "Lösen Sie sich von dieser Zwangsgemeinschaft", sagte er in Richtung CDU.

Bijan Djir-Sarai attestierte der Verwaltung eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik: "Wir können in diesem Jahr planmäßig weitere 4,7 Millionen Euro an Schulden tilgen", sagte er anerkennend. "Die Haushaltslage ist zweifellos sehr ernst, aber wo Risiken sind, gibt es auch Chancen." Der Liberale lobte die Zusammenarbeit mit dem neuen Koalitionspartner: "Zwischen uns passt kein Blatt mehr, weil es keine CSU im Kreis gibt", witzelte er keck.

Grünen-Fraktionsvorsitzender Erhard Demmer kritisierte, dass immer mehr Aufgaben von Bund und Land auf die Kommunen abgeschoben würden: "Das Land hat in den vergangenen Jahren massiv auf Kosten der Städte und Gemeinden gespart." Der Kreis werde nach wie vor mehr verwaltet als gestaltet. Der Haushalt sei "auf Kante genäht" und rückwärtsgerichtet. Demmer forderte erneut den Verkauf der RWE-Aktien, um sich politisch nicht an den "Dinosaurier RWE zu klammern".

Das Fazit von UWG-Chef Jürgen Güsgen fiel wenig zufrieden aus: "Es fehlt der Mut, die schwierigen Themen anzupacken. Stillstand bedeutet Rückschritt", mahnte der Unabhängige.

Der Gesamtbetrag der Erträge beläuft sich auf 357,7 Mio. Euro, der Gesamtbetrag der Aufwendungen auf 367,6 Mio. Euro. Zieht man die Aufwendungen von den Erträgen ab, bleibt ein Minus von 9,9 Million Euro. Die Kreisumlage liegt bei 42,2 v.H.; der Schuldenstand am 31. Dezember 2009 bei 79,60 Mio. Euro.