Vernachlässigte Gräber kosten Stadt 25.000 Euro
Wenn sich niemand mehr kümmert, werden Ruhestätten eingeebnet.
Meerbusch. Es ist eine eindrucksvolle Zahl: Knapp 200 Grabstellen auf Meerbuscher Friedhöfen sollen zum Jahresende eingeebnet, entzogen, abgeräumt werden. Sprachlich nüchtern und sachlich korrekt wird im Amtsblatt der Stadt beschrieben, was passiert, wenn die Nutzungsrechte auslaufen oder sich über lange Zeit niemand um ein Grab kümmert.
Für die Friedhofsverwaltung sind 200 betroffene Grabstellen keine ungewöhnliche Größenordnung, sagen der Fachbereichsleiter Michael Betsch und sein Stellvertreter Bernd Schautz. „Aber es ist schon so, dass es häufiger als früher aufgegebene und ungepflegte Gräber gibt“, sagt Betsch.
Ungepflegt, das heißt nicht selten völlig überwucherte Grabstellen, unter Grün und Gestrüpp fast unsichtbare Grabsteine. Die Friedhofsverwaltung kontrolliert den Zustand der Gräberfelder regelmäßig, manchmal machen Grabnachbarn auf eine Verwahrlosung aufmerksam. Dann wird nach Nutzungsberechtigten geforscht, schriftlich und mit Fristsetzung Abhilfe angemahnt, später erneut erinnert.
„Oft kann man die Zuständigen nicht mehr ermitteln“, sagen Betsch und Schautz. Mal sind sie verzogen, mal verstorben. Manchmal wird eine neue Anschrift ermittelt, die schon wieder überholt ist. „Das kann sich über Monate ziehen“, sagt Bernd Schautz.
Ist niemand zu finden, greift die Stadt zum letzten Mittel: die sogenannte Einebnung von Reihengräbern und die Entziehung von Wahlgräbern, bekanntgemacht im Amtsblatt. Letztmalig bleiben Angehörigen, Freunden oder Erben sechs Monate Zeit, sich zu kümmern. Danach werden Grabsteine, die bis in zwei Meter Tiefe reichenden Fundamente und Bepflanzungen entfernt. Während Wahlgrabstätten direkt neu vergeben werden können, bleiben von Reihengräbern — sofern die 25-jährige Liegezeit nicht erreicht ist — Lücken und deren Pflege Aufgabe der Stadt.
Es ist eine kostentreibende Angelegenheit: 25 000 Euro wurden 2012 in diese besondere Grabfolgepflege investiert. Bodendecker und Waldsteinien werden gepflanzt, die ein durchgehend grünes Beet bilden und den Unkrautwuchs eindämmen, erläutert Betsch. „Das erleichtert die Pflege.“
Für Betsch sind vernachlässigte Friedhöfe ein Spiegelbild der Gesellschaft: Patchwork-Familien, große Mobilität, kleinere Familien — alte Familiengrabstätten würden nicht verlängert, ganz aufgegeben oder verkleinert. Auch die Pflegekosten seien ein Argument.
„Mehr als die Hälfte aller Verstorbenen lässt sich einäschern“, sagt Betsch. „Der Trend setzt sich fort.“ Pflegeleichte Grabstätten werden immer beliebter, Aschestreufelder und Wiesengräber, und schon sind die ersten Baumgräber in dem neuen Friedhofsfeld in Osterath belegt.
Tod und Bestattung sind noch ein Tabu, doch es gibt auch Menschen, die sich dem Thema früh stellen. Als hohes Bedürfnis nach Selbstbestimmung interpretiert Betsch, dass Menschen zu Lebzeiten ein Grab erwerben. Das ist seit 2013 möglich. Innerhalb eines Jahres muss die Fläche angelegt sein, auch ohne Sarg oder Urne.
„Die Menschen wollen wissen, wo sie später beerdigt werden können“, erläutert Betsch die Beweggründe. „Manche suchen sich einen bestimmten Baum aus, unter dem sie liegen wollen“, ergänzt Schautz. „Wenn es darunter nur wenige Grabstellen gibt, reservieren sie sich eine.“