Wenn Kunst zum „Problemfall“ wird

Ein Kartonobjekt des Meerbuscher Künstlers Erwin Heerich ist mühselig restauriert worden.

Foto: Thomas Lammertz

Es sind nicht immer die alten Meister, die mit ihren Farben die größten Rätsel aufgeben. Zeitgenössische Werke zu restaurieren, ist manchmal noch schwieriger. Eigenwillige Mischungen, die nicht immer bekannt sind, oder Materialien, die es heute nicht mehr gibt, stellen Sebastian Köhler, Restaurator der Krefelder Kunstmuseen, und seine Berufskollegen vor knifflige Aufgaben.

Die Kunstmuseen bereiten sich auf die Wiedereröffnung des Kaiser-Wilhelm-Museums im Frühsommer vor. Und da sollen Werke aus der Sammlung in tadellosem Zustand präsentiert werden. Manchmal ist dazu auch die Hilfe von auswärtigen Spezialisten notwendig. Zum Beispiel für ein Objekt von Erwin Heerich (1922 — 2005), einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts: eine Kartonplastik mit 100 Säulen auf einer nach hinten ansteigenden Ebene. Es ist die einzige Hauptarbeit des Meerbuschers, die das Museum noch besitzt. Zwei weitere waren mit der Sammlung Lauffs abgezogen worden.

Das Objekt entstand 1967, ein Jahr später wurde es für Krefeld angekauft. „Die Arbeit hat irgendwann einmal einen Stoß mitbekommen. Die vorderen Säulen waren gekippt, das Gefüge war aus dem Lot geraten. Und noch schlimmer: Die schiefe Ebene war danach falsch abgesichert worden“, sagt Museumsleiter Martin Hentschel. Die betroffenen Säulen mussten von Hand per Messerchen einzeln herausgelöst und ersetzt werden.

Zu zeitaufwendig für den Krefelder Spezialisten Köhler, der ein enormes Reparatur- und Wiederherstellungsprogramm absolvieren muss. Dank einer Kooperation mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin ist das Heerich-Objekt jetzt wieder wie neu: Die Studentin Anne Wolfrum hat es als Bachelorarbeit restauriert, betreut wurde sie dabei von Prof. Ruth Keller, einer ausgewiesenen Heerich-Expertin.

Anderthalb Jahre hat die Herrichtung gedauert. Denn den Karton, den Erwin Heerich verwendet hat, gibt es längst nicht mehr. „In den 60er Jahren gab es hunderte Pappsorten, die heute verschwunden sind“, erläutert Hentschel.

Damit später alles wie aus einem Guss aussieht, musste Wolfrum Papiere Stück für Stück einfärben, ausprobieren und verwerfen — bis sie einen identischen Farbton getroffen hatte. „Das war eine Wahnsinnsarbeit“, sagt Hentschel, der den Fortgang der Restaurierung immer im Blick hatte: „Wir haben alles in enger Absprache abgestimmt.“

Dass Restaurierungsarbeiten an Projekte und Kooperationen gekoppelt werden, ist heute gängiges Verfahren der großen Museen. Hohe Kosten werden dann mit der Hilfe von Stiftungen und Fördergeldern aufgefangen. Auch Joseph Beuys’ berühmte Barraque D’Dull Odde, die demnächst wieder im Obergeschoss des Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museums zu sehen sein wird, ist mit studentischer Hilfe in Kooperation mit der Technischen Hochschule Köln, der nächstgelegenen Ausbildungsstätte für Restauratoren, überarbeitet worden. „Die Kunstmuseen verfügen nur über geringe Eigenmittel. Wir bewerben uns auch regelmäßig an den Restaurierungsprogrammen, die von der Bezirksregierung aufgelegt werden“, sagt Martin Hentschel.

Übrigens: Die Heerich-Skulpturen sind auf der Museumsinsel Hombroich als große, begehbare Objekte zu erleben.