Arbeiten an Heiligabend (2): Der Job beginnt um 22 Uhr

Wilhelm Kindgen arbeitet morgen in der Spätschicht.

Neuss. Wenn Frank Janssen (Artikel 3) von den Stadtwerken morgen langsam an Weihnachten denken kann, setzt sich Wilhelm Kindgen zu Hause in Rommerskirchen gerade ins Auto und macht sich auf den Weg zur Arbeit. Der 48-Jährige ist Extraktionsführer in der Produktion des Thywissen Ölwerks — Heiligabend arbeitet er in der Nachtschicht. Die beginnt um 22 Uhr.

„Bei uns wird 24 Stunden durchgehend gearbeitet“, sagt Michael Fahnenbruck, Geschäftsführer des Protein- und Ölwerks. „Es wäre zu aufwendig und mit einem zu großen Risiko verbunden, die Anlagen über Weihnachten und Silvester abzuschalten.“ Etwa drei Tage dauert es, die Anlage abzufahren, dieselbe Zeit, um sie wieder hochzufahren. „Einerseits würde das einen großen Energieverlust bedeuten, andererseits könnten Teile vereisen, wenn sie nicht in Gebrauch sind“, erklärt er. Nur einmal im Jahr, drei Wochen vor den Sommerferien, werden die Maschinen für rund zehn Tage abgeschaltet, um sie zu warten.

Schwierigkeiten, Personal für den Heiligabend zu finden, gibt es bei Thywissen aber nicht. „An den Hochfeiertagen verdienen unsere Mitarbeiter durch Zulagen ungefähr das Dreifache. Da ist es nie schwer, jemanden zu finden“, sagt Fahnenbruck.

Für Wilhelm Kindgen ist es zudem nichts Neues, am 24. Dezember an den Maschinen zu stehen. Seit fast 25 Jahren arbeitet er an der Industriestraße im Hafen, im Schnitt hat er alle vier Jahre an Heiligabend die Nachtschicht. In den anderen drei Jahren arbeitet er dann in der Früh- oder Spätschicht — oder hat den ganzen Tag frei.

„Wenn ich Nachtschicht habe, verlegen wir Essen und Bescherung einfach nach vorn. Das hat sich mittlerweile eingespielt“, sagt er. Auch Frau Brigitte, Sohn Marco sowie Eltern und Geschwister haben sich inzwischen daran gewöhnt.

In Neuss angekommen, ist Weihnachten für Kindgen vorbei. Die Möglichkeit, mit den Kollegen zu feiern, gibt es nicht, und auch weihnachtlicher Schmuck fehlt am Arbeitsplatz. Nur wenn es tatsächlich mal eine Störung gibt, kann sich zeigen, was für ein Tag ist. „Fünf weitere Kollegen haben in der Raffinerie die Spätschicht, vier haben Bereitschaft. Aber die Service-Firmen sind heute besonders schwer zu erreichen.“

Schwieriger, Personal zu finden, wird es bei Thywissen erst zu Silvester. „Da will dann wirklich jeder feiern“, sagt Fahnenbruck. „Das Neujahr lässt sich nicht so einfach verschieben wie die Bescherung am Heiligabend.“