„Der Förderbedarf steigt kontinuierlich“
Henning Heinrichs, Leiter des Sportinternats Knechtsteden, redet über Weltmeister, die die Schule hervorbrachte — und was es dazu braucht.
„Schule erfolgreich absolvieren und Weltmeister werden“ — mit diesem Slogan ist das Sportinternat Knechtsteden vor knapp zehn Jahren an den Start gegangen. Wie viele Weltmeister können Sie denn inzwischen vorweisen?
Henning Heinrichs: Der Slogan gilt immer noch, wenngleich wir mittlerweile eher von der „dualen Karriere“ sprechen. Aber wir haben tatsächlich mehrere Talente aus dem Sportinternat, die schon sehr erfolgreich sind: Säbelfechter Richard Hübers siegte zum Beispiel 2010 bei der Kadetten-WM, 2011 und 2013 bei der Junioren-WM. Im vergangenen Jahr ist er Europameister mit der Nationalmannschaft der Säbelfechter geworden. Rouven Redwanz wurde mit dem Herren-Säbelteam Kadetten-Weltmeister 2013.
Andere sind auf dem Sprung...
Heinrichs: Ringerin Laura Mertens vom AC Ückerath hat großes Potenzial. Leider hatte sie Pech mit einer Verletzung. Ihre Ersatzathletin hat sich dann für Olympia qualifiziert. Zehnkämpfer Jan Ruhrmann nimmt jetzt an der U 20-Leichtathletik-WM teil und hat sicher gute Chancen. Amelie Berger und Vanessa Fehr, zwei unserer Handballerinnen, sind mit dem deutschen Team bei der U 20-WM bis ins Halbfinale gekommen.
In Säbelfechterin Larissa Eifler wechselt nun auch die frischgebackene Jugend-Vizeweltmeisterin zu Ihnen...
Heinrichs: Ja, das freut uns natürlich. Aber man sollte den jungen Leuten nicht zuviel Last auf die Schultern packen und bei Erfolgen nicht nur kurzfristig denken, sondern auf die nächsten fünf Jahre blicken. Unsere Athleten entwickeln sich ja noch.
Wie finden Sie Athleten, die für das Sportinternat geeignet sind?
Heinrichs: Viele melden sich von selbst, weil sie über unsere Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam geworden sind, an andere geraten wir über unsere Sichtung oder durch Hinweise aus ihren Vereinen. Man kann sagen, dass wir in jedem Jahr etwa zehn bis 13 altersbedingte Abgänge haben; ein Drittel unserer Sportler verlässt das Internat, ein Drittel kommt dafür neu hinzu. Von durchschnittlich 30 Anfragen sind 20 ernstzunehmend, ungefähr zehn Kandidaten werden genommen. Jeder, der sich bewirbt, wird ergebnisoffen geprüft.
Welche Voraussetzungen müssen für die Aufnahme erfüllt sein?
Heinrichs: Neben der sportlichen Perspektive muss die persönliche Eignung des Talents gewährleistet sein. Wir sprechen hier von der Internatstauglichkeit. Deshalb gibt es für alle ernsthaften Kandidaten eine Probewoche bei uns, bei der wir uns gegenseitig prüfen. Wer zu uns kommt, muss dies von ganzem Herzen wollen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, ins Sportinternat zu wechseln?
Heinrichs: Dann, wenn akut oder in naher Zukunft die duale Karriere — also schulische Ausbildung und sportliche Entwicklung — zu scheitern droht — etwa, weil der Heimatverein bei der Förderung überfordert ist oder weil sich Ausbildung und Sport daheim nicht mehr in Einklang bringen lassen.
Probleme kann es aber auch in der Internatszeit geben...
Heinrichs: Um unseren pädagogischen Leiter Tobias Langner herum gibt es ein Team aus Erziehern und Sportwissenschaftlern, Männern und Frauen. Dazu haben wir für alle sportlichen Bereiche jeweils einen Jugendkoordinator. Es ist also für jeden ein Ansprechpartner da, egal, ob es um Liebeskummer oder um sportliche oder schulische Sorgen geht. Tobias Langner hält außerdem regelmäßigen Kontakt zu den Schulen, die unsere Athleten besuchen, und geht auch zu den Elternsprechtagen.
Schlagen Ihre Schützlinge auch mal über die Stränge?
Heinrichs: Wäre ja schlimm, wenn bei so jungen Leuten immer alles in ganz geordneten Bahnen abliefe. Zur Entwicklung gehört schließlich auch, mal links und rechts vom normalen Weg zu laufen. Wir lassen auch bewusst einiges an Individualität zu. Zum Beispiel darf jeder Bewohner sein Apartment nach seinem Geschmack gestalten und einrichten.
Wie ist die aktuelle Verteilung der Sportler in Knechtsteden?
Heinrichs: Wir haben zurzeit fünf Sportart-Projekte: Handball männlich und weiblich mit 16 respektive . vier Aktiven, Fechten mit vier Aktiven, Leichtathletik mit sieben Aktiven, Ringen weiblich mit drei neuen Sportlerinnen und neuerdings Taekwondo mit zwei Vereinsangehörigen des AC Ückerath. Macht unterm Strich neun weibliche und 27 männliche Jugendliche. Damit sind alle 36 im Internat zur Verfügung stehenden Plätze besetzt.
Sie leiten das Internat jetzt seit gut zweieinhalb Jahren. Was hat Ihnen in dieser Zeit besondere Freude gemacht?
Heinrichs: Dass es dem TSV Bayer Dormagen mit unserer Hilfe gelungen ist, die Nachwuchsarbeit im Handball so voranzutreiben, dass er verstärkt DHB-Auswahlspieler an Bord hat. Auch die aktuellen Neuzugänge sind sehr vielversprechend. Und zweitens, dass wir den Skeptikern bewiesen haben, dass es in unserer Region nicht nur Förderbedarf im Handball, sondern auch in Individualsportarten wie Fechten, Leichtathletik, Ringen und Taekwondo gibt. Hier steigt die Nachfrage kontinuierlich.