Droht ein Schützenfest ohne traditionelles Böllern?
Die Kanonen sollen im Kölner Beschussamt geprüft werden, doch das geht erst im Oktober.
Neuss. Wenn in Helpenstein Kirmes gefeiert wird, schweigen die städtischen Geschütze. „Das ist für uns nichts Neues“, sagt Martin Kluth, Präsident der Kirmesgesellschaft Helpenstein. „Im letzten Jahr hatten wir zwei Neusser Kanonen da, die frisch von der Generalüberholung kamen. Und keine von beiden funktionierte“, erinnert er sich.
„Die Jungs vom Neusser Ordnungsamt sind sehr erfahren. Außerdem stehen sie mit den Kanonen außerhalb des Dorfes und schießen in Richtung Feld“, schildert er die Vorgehensweise und versichert: „Ich hätte keinerlei Bedenken, mich daneben zustellen, wenn die Kanonen abgefeuert werden.“
Böllern hat bei Neusser Schützenfesten eine große Tradition. Bis auf Weiteres schweigen die Kanonen aber. Bereits beim Vogelschuss in Reuschenberg am Montag wurde auf Anordnung des Dezernenten Hahn, der auch für Ordnung und Rettungswesen zuständig ist, nicht geböllert. „Aus Gründen der äußersten Vorsorgepflicht“, wie Hahn formulierte, würden die drei Neusser Kanonen bei den Schützenfesten im Stadtgebiet vorerst nicht abgefeuert. Damit zog er die Konsequenzen aus dem Unglücksfall, der sich am vergangenen Wochenende im sauerländischen Marsberg ereignet hatte. Dort waren aus bislang noch ungeklärter Ursache Teile von zwei abgefeuerten Kanonen durch die Luft geflogen und hatten mehrere Menschen verletzt. Darunter war auch der 30-jährige Schützenkönig, der wenig später während der Behandlung im Krankenhaus starb. Die Stadt Neuss ist in engem Kontakt mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Ministerien und dem Beschussamt in Köln, konnte jedoch bislang keine Informationen bekommen. „Für uns ist es wichtig zu erfahren, was das Unglück in Marsberg ausgelöst hat, und ob dies auf Neuss übetragbar wäre“, sagt Stadtsprecher Peter Fischer. Die verwendeten Unglücks-Kanonen haben das gleiche Alter wie die Neusser Hinterlader (Baujahr 1997) und wurden regelmäßig geprüft. „Solange uns keine belastbaren Informationen vorliegen, wäre das Böllern nicht zu verantworten“, ergänzt Fischer. Bemühungen, die Neusser Geschütze kurzfristig im Kölner Beschussamt überprüfen zu lassen, scheiterten. Erst im Oktober ist wieder ein Termin frei. Dann aber wäre auch die Schützenfestsaison vorüber. Also keine Salve auch beim großen Neusser Bürgerschützenfest Ende August?
„Wir hoffen von Woche zu Woche auf neue Erkenntnisse zum Unglück in Marsberg. Sobald neue Informationen vorliegen, werden wir erneut abwägen“, sagt Fischer. Im Ordnungsamt wurden verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, wie das traditionelle Böllern doch noch zu retten wäre: den Sicherheitsabstand für Zuschauer und Ehrengäste vergrößern, die Zündleinen verlängern, zusätzliche Schutzkleidung für die Kanoniere. „Schlussendlich war das alles nicht praktikabel“, fasst Peter Fischer zusammen.