Ein Jahr auf Bewährung für Schwarzfahrerin

20-Jährige war mehr als 50 Mal ohne gültiges Ticket erwischt worden.

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Neuss. Das Neusser Jugendschöffengericht hat gestern eine 20-jährige Frau wegen Schwarzfahrens zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Die junge Neusserin hatte zugegeben, innerhalb weniger Monate mehr als 50 Mal in ganz Deutschland ohne Ticket in Zügen erwischt worden zu sein. Da sie sich reumütig zeigte, ließ Richter Heiner Cöllen noch einmal Gnade vor Recht ergehen.

„So ein Fall ist wahrlich nicht alltäglich“, meinte Cöllen. Tatsächlich dauerte die Verlesung der Anklage für einen Fall am Amtsgericht ungewöhnlich lange: Über 50 Mal war Susanne D. (Name geändert) in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Hagen, Wuppertal, Weimer, München und Gera auf dem Weg zur Freunden und Bekannten beim Schwarzfahren erwischt worden. „Ich konnte mit mir selbst überhaupt nichts anfangen, wir war auch egal, was aus mir wird“, versuchte die Angeklagte ihr seltsames Verhalten zu erklären, „ich bin mit zwölf Jahren zu Hause ausgezogen, war zeitweise auch obdachlos.“ Im Internet hat sie ihren neuen Freund kennengelernt, der junge Mitarbeiter eines Reisebüros scheint ihr Halt gegeben zu haben. Zudem kümmern sich die Großeltern um die 20-Jährige. Zu ihnen hat die Neusserin eine engere Beziehung als zu ihren Eltern. „Meine Kindheit war schwierig, mein Stiefvater hat mich geschlagen.“

Erste Gespräche mit Ärzten im Alexianer-Krankenhaus in Neuss haben ergeben, dass ein stationärer Aufenthalt erforderlich ist, um die Depressionen der jungen Frau zu bekämpfen. Die Therapie soll in Kürze beginnen. „Es gibt entsprechend einige Anzeichen für eine positive Entwicklung auf geringem Niveau“, hieß es von Seiten des Jugendamtes.

Richter Heiner Cöllen und seine Schöffen mochten diese positiven Entwicklung nicht im Wege stehen. Aufgrund der vielen Vorstrafen der notorischen Schwarzfahrerin wäre auch eine Gefängnisstrafe möglich gewesen. „Es war eine Orgie von Taten“, so Cöllen, „trotzdem erhalten Sie diese Chance. Wir stellen Ihnen eine Bewährungshelferin zur Seite.“ Die Angeklagte versprach, künftig ein straffreies Leben führen zu wollen. Mit dem Urteil zeigte sie sich einverstanden.