Eine kleine Karnevalskunde für Neusser Neubürger
Wo ist der beste Platz beim Karnevalszug? Und wie war das mit der Krawatte? Wir haben Antworten.
Neuss. Mehr als 7000 Menschen sind im vergangenen Jahr nach Neuss gezogen. Das bedeutet: Mehr als 7000 Menschen haben keine Ahnung, wie in Neuss der Karneval funktioniert. Deshalb lesen Sie den Ratgeber zum Nüsser Fastelovend. Für Neulinge — und Eingeweihte. . .
Das macht man so an Karneval. Ziehen Sie sich das Bekloppteste an, was Sie im eigenen Kleiderschrank oder im Fachhandel finden. Es gibt Leute, die steigern dafür sogar extra ihren Mut mittels flüssiger Enthemmungsmittel (Volksmund: Bier, Schnaps). Aber nicht zu viel, plädieren Leber und Rettungskräfte. Wenn Sie entsprechend präpariert sind, mischen Sie sich unter die anderen Enthemmten, schunkeln mit, singen mit, lachen mit. Dann sind Sie ein Jeck, landläufig auch Narr genannt. Und bedenken Sie: Wer auf der rechten Wange gebützt wird, hält auch die linke hin. Nehmen Sie diese Art Nahkampf gelassen hin. Oder machen am besten mit. Karneval hat viel mit Kontakt mit Wildfremden zu tun.
Karneval ist zwar kein Feiertag, trotzdem ruht das öffentliche Leben. Das Finanzamt (ab 10.30 Uhr), die Arbeitsagentur (ab 13 Uhr), das Straßenverkehrsamt (ab 11.30 Uhr), die gesamte Kreisverwaltung (ab 12.30 Uhr) machen heute früher dicht. Die Stadtverwaltung ist heute bis 12 Uhr geöffnet. Viele Geschäfte folgen dem guten Beispiel. An Rosenmontag haben die Behörden ganz zu, die meisten Geschäfte aber geöffnet.
Wenn wilde Weiber mit grässlichen Masken durch die Gegend toben und ein Stückchen Stoff jagen, ist das nicht Germany’s next Topmodel, sondern Altweiber. Dann schneiden Möhnen Krawatten ab. Wer heute Abend mit einem ganzen Binder am Stück nach Hause kommt, hat was falsch gemacht.
Weil Bürgermeister Napp so ein paar Tage frei hat, um im Schwarzwald Urlaub zu machen. Und weil die Narren bis Sonntagabend das Sagen haben. Der Rathaussturm heute (um 11.11 Uhr) ist ihre Machtübernahme. Anschließend wird auf dem Markt vor der Bühne gefeiert.
Weil dort von Ruhe keine Rede sein kann. 3000 Aktive im Kappeszug, zwölf Musikkapellen, 21 Mottowagen mit Beschallung sowie 100 000 Schaulustige an den Straßen machen die City zum Hexenkessel. Los geht es um 13.11 Uhr.
Helau. Das nennt man den „Narrenruf“, oder in bester karnevalistischer Nahkampf-Tradition „Schlachtruf“.
In Köln: Weil man Alaaf auch nach elf Kölsch noch fehlerfrei rülpsen kann. Und in Neuss: Weil Helau so schön klingt. Helau soll übrigens ein Hirtenruf gewesen sein, oder soll „Halleluja“ heißen, oder soll ein anderes Wort für „Hölle“ sein. Geübte Jecke greifen instinktiv auf die situativ angebrachte Übersetzung zurück. Karnevals-Profis rufen sogar „Ons Nüss, helau“ — außer in Holzheim. Wer sich besonders variantenreich zeigen will, mischt unter den Schlachtruf die Forderung „Strüssche“ (gemeint sind Blumen) oder „Liebsche“ (wenn eine Frau auf dem Wagen um eine Gabe gebeten wird).
In Kurven. Weil dort jeder Wagen besonders langsam ist. Gut sind Plätze neben Eltern mit Kleinkindern auf dem Arm. Auf die geht immer ein Kamelleregen nieder, nur können sie sich — mit Kind auf dem Arm — nicht schnell danach bücken.
Der Neusser Jeck gibt 209,60 Euro für den Karneval aus. Das hat die Targo-Bank in einer Umfrage ermitteln lassen. Das ist deutlich mehr als in Düsseldorf (174 Euro). Der Nüsser Jeck haut die Kohle raus für: das Kostüm (54,59 Euro), Eintrittskarten für Sitzungen und Bälle (30,62 Euro) — und den größten Batzen für die Verpflegung zum Straßen-Karneval (60,88 Euro). Darunter fallen sowohl geschmierte Schnittchen in der Tupperdose, als auch Flüssignahrung in Dosenform.
Rosenmontag. Ja, wenn’s in Düsseldorf und Köln erst richtig los geht, machen hier die Geschäfte wieder auf.