Eine Minute innehalten

Auch in Neuss wurde am Donnerstag Solidarität mit den Opfern geübt.

Neuss. Da gehe es doch gegen Rassismus und Rechtsextremismus, irgendwie . . . Die Besucherin im Bürgeramt hat davon gehört, dass um 12 Uhr geschwiegen werden sollte. Eine Minute im stillen Protest gegen die Zwickauer Neonazitruppe. „Wir ehren die Opfer dieser Terrorgruppe; und wir erinnern gleichzeitig auch an die Opfer weiterer schrecklicher Taten“, erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade während des Traueraktes im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt. Eine Minute soll auch dort geschwiegen werden.

Auch Doris Neer, die im Bürgeramt gerade nach ihrem verlorenen Schlüssel sucht, weiß, worum es geht. „Richtig ist das“, sagt sie, „auf jeden Fall sollte man mitmachen.“ Als es dann 12 Uhr ist, bittet Christoph Noeppel, Leiter des Bürgeramtes, alle Anwesenden um Ruhe. Das Gemurmel erstirbt, wer auf den Bänken gewartet oder während der Gespräche auf Stühlen gesessen hat, erhebt sich. Ein Mann nimmt die Kappe ab. Tatsächlich ist nur leise ein Telefon zu hören.

Wie hier im Bürgeramt hat die Stadtverwaltung alle Mitarbeiter aufgerufen, sich an der Schweigeminute zu beteiligen. Trauerbeflaggung ist am Rathaus angebracht.

An vielen anderen Orten halten die Menschen ebenso inne. So bei der Sparkasse, wo es nur positive Reaktionen gegeben habe, wie Sprecher Stephan Meiser sagt. Oder in den großen Unternehmen Alu Norf und Hydro und in der Mercedes-Niederlassung.

Auch in vielen Schulen schweigen Schüler wie Lehrer für eine Minute, obwohl der Aufruf dazu vom Schulministerium erst sehr kurzfristig durchgegeben worden sei, wie es aus einer Schule heißt.

Hedwig Bodewein aus Neuss hat nichts von der Schweigeminute gehört. „Ich weiß aber ganz ehrlich auch nicht, was das bringen soll“, sagt sie und setzt ihren Weg über den Markt fort. Ähnlicher Meinung ist auch Frank Gralla: „So etwas kann zwar ein Anstoß sein, aber viel helfen wird das Schweigen nicht. Generell wird zu wenig getan.“ Ganz anders sieht das die Yvonne Freund: „Ich finde die Idee sehr gut. Es ist wichtig zu zeigen, dass wir nicht so sind wie die Täter“, erklärt sie.

„Intoleranz und Rassismus äußern sich keinesfalls erst in Gewalt. Gefährlich sind nicht nur Extremisten“, betont die Bundeskanzlerin am Donnerstag und mahnt zu genauem Hinsehen. Vielleicht hat die Schwegeminute dazu einen neuen Anstoß gegeben.