Fackelzug greift große Themen auf
Ob Tour de France, ein „Steuerschatz“ oder gar Donald Trump — heute gibt es einen bunten Jahresrückblick zu sehen.
Neuss. Der Grenadierzug „Wisse Röskes“ hat zwei seiner Fackelbauer noch einmal in die Lehre geschickt. Jacques Tilly, Großmeister des Wagenbaus im Düsseldorfer Karneval, vermittelte ihnen, wie große Figuren modelliert werden. Eher in Tillys Tradition stehen Züge wie „Blaue Blömkes“ und „Santa Lucia“ aus dem Grenadierkorps, die sich mit dem 152-Millionen-Euro-Steuerschatz beschäftigen, der der Stadt im Frühjahr in den Schoß gefallen ist. Tick, Trick und Track verteidigen diesen Geldhaufen gegen alle Begehrlichkeiten, und die Panzerknacker, sagt Peter Orth, sind schon ausgemacht: Rat, Kreis und Land. Helmut Kauschka, ergänzt mit Blick auf diese Fackel von „Santa Lucia“: Der Bürgermeister schwimme im Geld, „aber kein Geld für Tannengrün“.
108 Großfackeln werden die Schützen heute Abend den voraussichtlich 100 000 Zuschauern am Wegrand zeigen. Dabei gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Korps. „Die Fackeln der Schützenlust sind oft sehr aufwendig, die der Jäger nicht so politisch“, fällt Ex-Oberst Heiner Sandmann auf. Nicht so politisch jedenfalls wie die der Grenadiere. Fackeln zu Film- oder Märchenthemen sind in der Tat bei den Jägern fast obligatorisch, sagt Adjutant Peter Wallrawe. „Die sind auch eine unserer Stärken.“ Auch bei der Schützenlust stehen politische Themen nicht ganz hoch im Kurs. „Aktuell geht es oft um den scheidenden Major und die Suche nach einem neuen — nachdem Klaus Engels zurückgezogen hat“, sagt Hauptmann Karl-Heinz Ackermann.
Unpolitisch oder nicht: An zwei Themen kamen die Fackelbauer aller Korps nicht vorbei — der Bundestagswahl im September und den Kapriolen von US-Präsident Donald Trump. Dem bläst — so hat es der Gildezug „Quirinus Stolz“ inszeniert — so viel Gegenwind entgegen, dass ihm mit Regelmäßigkeit die Haartolle flöten geht, während „Löwenstolz“ Trumps Ignoranz bei der Klimapolitik geißelt: „Klimawandel? - Fake News“.
Fackeln zur Bundestagswahl gibt es wenige(r), doch die pointiertesten kommen vom Hubertuszug „Wildfüchskes“, wo der Druide Miraculix beim „Wahlk(r)ampf“ im politischen Einheitsbrei rührt, und vom Jägerzug „Alles för de Freud“. Der transportiert das Thema szenisch in die Welt der unbesiegbaren Gallier und lässt im „Kampf der Häuptlinge“ Schulzix (alias Julius Cäsar) und Merkelix (alias Obelix) aufeinandertreffen. Wer die Asterix-Hefte kennt, ahnt den Ausgang.
Politisch? Unpolitisch? Bei manchen Fackeln verschwimmen die Grenzen. Wie etwa beim Schützenlustzug „Erste Güte“, der die Tour de France zum Thema macht und dabei den Zusammenhang von Sport und Kommerz angreift: Schneller Spaß, schnelles Geld. Selbst Kneipensterben, fehlende Hebammen und Baustellen in Neuss sind ein Politikum. Ein Glück, dass es auch nur nette Themen gibt — auch wenn die Darstellung des „Power-Rösken“ vom Grenadierzug „In Treue fest“ das Zeug zum Aufreger haben könnte.