Flüchtling aus Neuss: „Ich leide an Panikattacken“
Die Diskussion um die Unterkünfte von Flüchtlingen ist allgegenwärtig. Ein Besuch in zwei sehr unterschiedlichen Einrichtungen.
Neuss. Es riecht nach Urin und die Türen zeigen Spuren von roher Gewalteinwirkung. Die städtische Einrichtung am Berghäuschensweg in Neuss stellt sicherlich nicht das Aushängeschild der Stadt dar. „Ich leide nachts an Panikattacken, weil andere Bewohner hier mehrfach die Tür eingetreten haben. Warum sie das tun, weiß ich nicht“, sagt Kazi N..
Der 27-jährige Student stammt aus Bangladesch und musste sein Land verlassen, weil er Mitglied der Oppositionspartei war. Sein „Fehler“: Er hat öffentlich gegen die regierende Partei demonstriert. „Es wäre für meine Familie zu gefährlich gewesen, wenn ich im Land geblieben wäre. Vertreter der Regierungspartei haben die Demonstranten aufgespürt. An jedem Tag wurde mindestens eine Leiche im Fluss gefunden“, berichtet Kazi N..
Als politisch Verfolgter kam er nach Deutschland und landete vor 18 Monaten in der Neusser Einrichtung. „Es ist dreckig, die anderen Bewohner putzen nicht“, sagt er.
Die schwierigen hygienischen Zustände in der Flüchtlingsunterkunft sind der Stadt bekannt. „Ja, das ist eine Baracke. Eigentlich war diese Einrichtung auch bereits geschlossen, weil wir andere Unterbringungsmöglichkeiten hatten und der qualitative Zustand nicht mehr so gut ist. Wenn es nicht notwendig geworden wäre, aufgrund der hohen Zahl der Asylbewerber, hätten wir diese Einrichtung nicht reaktiviert“, sagt Stefan Hahn, Beigeordneter der Stadt Neuss für Soziales.
Um eine bessere Unterbringungsmöglichkeit zu schaffen, werde derzeit gegenüber von der „Baracke“ eine neue Einrichtung gebaut. „Zudem wohnen in diesem Provisorium größtenteils alleinstehende Männer. Da ist die Wahrung der Hygiene eine besondere Herausforderung. Trotzdem empfinde ich diese Übergangslösung als bessere Alternative zu einer Unterbringung in Zelten“, sagt der Beigeordnete Hahn.
Dass es auch anders geht, beweist ausgerechnet die Erstaufnahme-Einrichtung von „European Homecare“ (EHC) am Alexianerplatz in Neuss. EHC-Mitarbeiter stehen im Verdacht, Flüchtlinge in Burbach und Essen misshandelt und schikaniert zu haben. In Burbach im Siegerland betreibt mittlerweile das Deutsche Rote Kreuz die Einrichtung.
In Neuss sind 400 Flüchtlinge in dem ehemaligen Alexianer-Krankenhaus untergebracht. „Das ist schon extrem stressig und hektisch. Trotzdem achten wir sehr auf Sauberkeit und Harmonie. Dort wird rund um die Uhr geputzt“, sagt Stephanie Feld von der Bezirksregierung Arnsberg. Sie kümmert sich um die Verwaltung der Einrichtung.
Bis zu drei Wochen bleiben die Flüchtlinge in der Institution. „In dieser Zeit testen wir sie auf Tuberkulose und begleiten sie zu amtlichen Terminen. Die Caritas-Flüchtlingsberatung und unsere Sozialarbeiter sorgen für Konfliktlösungen“, sagt die Einrichtungsleiterin Snezana Doroski.