Gebrochener Flügel, gebrochenes Herz
Ein verletzter Schwan aus dem Finlay-Park in Grevenbroich wird in Hattingen behandelt. Sein Partner wartet derweil sehnsüchtig.
Grevenbroich/Hattingen. Mit dieser Entwicklung hat wohl niemand gerechnet: Nachdem in der vergangenen Woche ein Grevenbroicher-Schwanenpaar getrennt werden musste, weil sich eines der Tiere einen Flügel gebrochen hatte, sucht der zurückgelassene Schwan nach wie vor traurig das Revier rund um den Teich im „Ian Hamilton Finlay“-Park nach seinem Partner ab. Nur, dass es sich bei dem verlassenen Vogel offenbar nicht, wie ursprünglich gedacht, um ein Weibchen handelt. Der liebeskranke Schwan ist ein Mann. „Homosexuelles Verhalten bei Vögeln kommt durchaus häufiger vor“, sagt Norbert Wolf, Umweltbeauftragter der Stadt Grevenbroich. Bei rund 130 Arten haben Wissenschaftler ein solches bislang beobachtet. „Das hier scheint so ein Fall zu sein“, sagt Wolf.
Thorsten Kestner war es, der auf die für Expertenaugen offenkundig gleichgeschlechtliche Schwanen-Liebe aufmerksam machte. In seiner Wildtierauffangstation „Paasmühle“ in Hattingen, in der bis zu 1000 Wildvögel pro Jahr versorgt werden, ist der schwer verletzte Schwan aus Grevenbroich seit Mitte vergangener Woche untergebracht. Beim Sichten von Fernsehaufnahmen über die herzzerreißende Trennungsgeschichte fiel Kestner die stattliche Größe des einsam durchs Wasser im Finlay-Park kurvenden Tieres auf. „Der Schwan, der bei uns in Behandlung ist, wiegt 11,8 Kilo“, sagt er. „Das Tier, das vom Kamerateam in Grevenbroich gefilmt wurde, scheint annähernd genauso schwer.“ Ein Mädchen, sagt Kestner, bringe so ein Gewicht mit Sicherheit nicht auf die Waage. Dass es sich bei dem Schwan aus dem Beitrag tatsächlich um einen Teil des getrennten Paares handelt, bestätigt wiederum Norbert Wolf. „Ich war bei den Dreharbeiten dabei“, sagt er.
An der Tragik der Situation ändert das selbstredend nichts. Der zurückgelassene Schwan leidet, während sein Lebenspartner in Hattingen ums Gesundwerden kämpft. „Das Tier hat einen komplizierten Bruch“, sagt Thorsten Kestner. „Der Flügel wurde bandagiert und muss operierte werden. Das geht aber erst, wenn die Schwellung zurückgegangen ist.“
Mindestens drei Monate, schätzt der Experte, wird der Heilungsprozess dauern. Möglicherweise wird der Schwan danach nicht mehr fliegen können. Das, sagt Kestner, sei nicht dramatisch. Schwäne, insbesondere die männlichen, erklärt er, flögen ohnehin ziemlich mies. „Für die Nahrungssuche ist das nicht entscheidend. Wichtig ist, dass sie sich putzen können, denn nur dann sind sie schwimmfähig und wasserdicht.“
Wie es mit dem unglücklichen Liebespaar weitergeht, bleibt also abzuwarten. Norbert Wolf hofft nach wie vor auf eine Wiedervereinigung. „Das müsste dann aber vor der nächsten Paarungszeit geschehen“, sagt er. „Sonst sucht sich der einsame Schwan womöglich einen neuen Partner.“