Gruppenfotos für das Wir-Gefühl
Norbert Krause machte Fotos von Hochhausbewohnern.
Neuss. Häufig macht man ein Gruppenbild zum Abschluss einer Reise. Bei Norbert Krause sollte es der Anfang von etwas sein. Der Mönchengladbacher Künstler hat zwischen Mai und Oktober je ein Hochhaus in Moers, Mönchengladbach, Viersen und Neuss besucht. Sein Ziel: ein Gruppenfoto mit den Bewohnern. Die Ergebnisse sind ab Donnerstag unter dem Titel „Wir — ein Gruppenfoto“ im Atelierhaus der Stadt ausgestellt. „Mir ist aufgefallen, dass das Leben im Hochhaus paradox ist. Einerseits leben die Menschen dort sehr eng zusammen, andererseits kennen sie ihre Nachbarn viel weniger als auf dem Land“, erklärt Krause. Mit seinem Projekt wollte er der Großstadt-Anonymität einen Kontrapunkt entgegensetzen. „Das Gruppenfoto sollte die Bewohner eines Hauses zusammen- und ins Gespräch bringen“, erklärt Krause.
Schon einige Tage bevor das Foto gemacht wurde, hat sich der Künstler daher mit Campingstuhl und Sonnenschirm vor die Hochhäuser gesetzt und die Bewohner zu dem Gruppenfoto eingeladen. „Allein dabei habe ich tolle Erfahrungen gesammelt“, erinnert sich der 34-Jährige. In Mönchengladbach etwa lud ihn eine Dame in ihre Wohnung in der siebten Etage auf einen Kaffee ein. „Sie wollte mir zeigen, dass sie von ihrem Balkon aus den Kölner Dom sehen kann“, sagt Krause. In Viersen sprang er kurzerhand als Torwart beim Fußballspiel der Kinder ein. Außerdem warb er mit Klebezetteln an der Tür für den Termin.
Zum Gruppenfoto kamen dann zwischen sieben (Neuss) und 30 Prozent (Mönchengladbach) der Hausbewohner. Gemacht wurden die Bilder von Fotograf Stefan Völker. In ihrem Aufbau erinnern sie an typische Immobilienfotos: Glückliche Familie mit Hund vor Eigenheim. Zu sehen ist dann aber eine Gruppe völlig verschiedener Menschen. Ins Gespräch kamen die Bewohner beim Warten. Denn die Gruppenfotos wurden vor Ort ausgedruckt. Ein Nachdenken über Aktionen zum Kennenlernen der Hochhaus-Nachbarn will der Künstler auch bei den Besuchern seiner Ausstellung auslösen. „Wir — ein Gruppenfoto“ umfasst aber noch einen zweiten Schritt: Mit Fish-Eye-Objektiv — was dem Blickwinkel durch den Tür-Spion entspricht — fotografierte Krause die Haustüren aller Bewohner. „Die Haustür ist eine spannende Grenze zwischen Draußen und Privatsphäre“, sagt der 34-Jährige. Garniert wird die Ausstellung mit einem Text des Sozialwissenschaftlers Bernhard Jansen und einem Interview, das Susanne Schnabel mit Norbert Krause geführt hat. Auch darin geht es um die Anonymität der Hochhäuser und ihre Gründe. Norbert Krause wohnt übrigens selber in einem dreigeschossigen Haus.