Der coolste Schnüffler im ganzen Insektenreich
Im Café „Diva“ läuft mit „Die Wanze“ ein ungewöhnliches und sehenswertes Stück.
Neuss. Er könnte Philipp Marlowe heißen. Oder Sam Spade. Aber er heißt Muldoon, wird Wanze genannt. An Coolness steht er den großen Vorbildern jedoch in nichts nach. Den Hut lässig auf dem Kopf, den obligatorische Trench um den den Körper gewickelt, die Zigarette im Mundwinkel — und dann dieser Blick. Als ob ihn nichts auf dieser Welt noch überraschen könnte. Selbst wenn sie so klein ist wie ein Garten.
Ein Garten. Als Location für einen Krimi? Ja, denn Muldoon ist ein Mistkäfer. Aber der coolste Schnüffler weit und breit — nämlich im Insektenreich. Der amerikanische Autor Paul Shipton hat mit seinem Buch „Die Wanze“ eine wunderbare Vorlage für ein kleines Theaterstück geschaffen. Und RLT-Intendantin Bettina Jahnke hat daraus eine Hommage an große Krimi-Autoren wie Raymond Chandler oder Dashiell Hammett gemacht.
Und sie hat damit auch den Beweis angetreten, dass sich die Erzählung nicht allein für Kinder ab acht Jahren (die sind die eigentlichen Adressaten von Shiptons „Wanze“-Büchern), sondern für Menschen jeden Alters eignet. Zumindest in der Form, in der Regisseurin Jahnke und ihr Schauspieler Strübbe sie anbieten.
Henning Strübbe spielt den tierischen Schnüffler mit menschlichen Attributen. Nicht nur äußerlich, sondern auch im Verhalten. Und stemmt den rund einstündigen Theaterabend in nächster Nähe zum Publikum auf der kleinen Bühne und an der Theke des Theatercafés Diva ganz allein. Die Geschichte ist ein einziger Monolog, in dem Strübbe jedoch mindestens 20 verschiedene Rollen annimmt. Immer nur ganz kurz, und allein im Ton und Körperhaltung deutlich machend, dass da gerade eine soldatische Ameise spricht, eine affektierte Bienenkönigin, eine nervöse Stubenfliege, ein vom Spaten geteilten Regenwurm, der jetzt in zwei Teilen als Dex und Dax lebt, oder der Ameisen-Oberst Krag, der mit den Wespen als Verbündete einen Umsturz plant und die Macht an sich reißen will.
Er ist der Fiese in diesem Spiel — und hört sich auch genauso an. Ein Blofeld im Insektenreich, der jene vernichten lassen muss, die von seinem Plan erfahren haben. Und so soll die Wanze die Ameise Clarissa suchen, die sich mit anderen ihrer Gattung in einem Club der Unverwechselbaren zusammengetan hat. Natürlich findet Wanze sie, natürlich ist er auf ihrer Seite, natürlich besiegt er die Bösen — bis hin zum Killer Spinne.
Ebenso komisch wie subtil bringt das Stück Gleichmacherei, Unterdrückung und Aufbegehren unter, eingepackt in Actionszenen, die eines James Bond würdig wären. Strübbe hat dafür nur seinen Körper, seine Stimme, seine Mimik. Und ein bisschen Musik, die allerdings oft zu laut eingestellt ist und Strübbes Stimme manches Mal zu übertönen droht. Gleichwohl: Ein sehenswertes „Hör“-Spiel ist dabei herausgekommen, das zudem ein vielversprechender Auftakt für eine neue Aufführungsreihe in der „Diva“ ist.