In das älteste Haus der Stadt Neuss kommt neues Leben

In dem Gebäude an der Michaelstraße organisiert die Initiative „Neuss packt an“ eine Weihnachtsfeier für Obdachlose. Ab Februar kommt dort eine Kunstagentur unter.

Foto: jasi

Neuss. Die Nachricht sorgte für Begeisterung. „Es war wie ein Sechser im Lotto“, erinnert sich Lothar Bertrams. Der 70-Jährige ist Mitglied der Initiative „Neuss packt an“, die sich seit knapp drei Jahren um Obdachlose im Neusser Stadtgebiet kümmert. Das achtköpfige Team stellte bislang auch stets eine Weihnachtsfeier für Bedürftige auf die Beine — eine in den Holzbaracken am Derendorfweg und die zweite im „Haus Lebensbrücke“ auf der Furth.

Doch dank eines Angebots von Heike Rossmanith können die Obdachlosen aus Neuss in diesem Jahr in einer ganz besonderen Location feiern. Die Neusserin ist im Besitz des ältesten Hauses der Stadt, das an der Michaelstraße steht. Und als sie hörte, dass die Initiative auf der Suche nach einem neuen Veranstaltungsort für die Weihnachtsfeier ist, setzte sie sich mit Lothar Bertrams in Verbindung. „Heizen muss ich die Räume sowieso“, sagt Heike Rossmanith, die froh ist, „etwas Gutes tun zu können“.

Freuen können sich die Obdachlosen am Freitag, 22. Dezember, nicht nur auf ein leckeres, warmes Essen — unter anderem gibt es an diesem Abend Rindergulasch —, sondern auch auf prall gefüllte Spendentüten. Darin enthalten sind unter anderem Winterkleidung, Fleecedecken und Süßigkeiten. „Wir erwarten bis zu 45 Leute“, sagt Bertrams, der in dem ältesten Haus von Neuss bereits Malerfilz ausgelegt hat, um den abgeschliffenen Naturholzboden zu schonen. Einen Hauch von Luxus sollen die Obdachlosen an diesem Tag — los geht es um 18.30 Uhr — auch erleben. So werden keine Plastikgabeln und Pappteller gestellt, sondern Porzellan und „echtes“ Besteck. „Sie werden zudem von uns bedient und müssen sich nicht anstellen“, sagt Bertrams. Zudem wird der Nikolaus um 19 Uhr einen Besuch abstatten.

Heike Rossmanith freut sich, dass endlich wieder Leben in ihr Haus kommt. Schließlich ist das Gebäude aus dem Jahr 1571, an dem die Hausnummer 69 prangt, für die Neusserin eine Herzensangelegenheit. Doch nicht nur kurzzeitig, wie durch die Weihnachtsfeier, soll es genutzt werden, sondern langfristig. Und auch das ist nun in trockenen Tüchern.

Denn wie die Haus-Besitzerin mitteilte, wird ab dem 1. Februar die Agentur „Kunstentschlossen“ dort den Betrieb aufnehmen. Jan Martens führt das „Atelier für Kommunikation und Kreativität“ gemeinsam mit seiner Frau Eva Lonsdorf. „Wir geben unter anderem Workshops und bringen Menschen bei, kreativ zu arbeiten. So ein Job braucht ein besonderes Gebäude“, sagt Martens. Und so fiel die Wahl auf das älteste Haus in Neuss.

Ein Café, eine Goldschmiede und ein Bekleidungsgeschäft zählen zu den ehemaligen Nutzern des denkmalgeschützten Hauses. Zuletzt war dort das „Haus Samadhi“ zu finden: Ein alternatives Gesundheitszentrum, in dem auf drei Etagen unter anderem Yoga-Kurse, Sterbe- und Trauerbegleitung sowie Beratungen angeboten wurden.

Noch ist das Kreativ-Duo mit seiner Agentur in Düsseldorf vor Ort. Auch dass Jan Martens und Eva Lonsdorf Neusser sind, dürfte bei der Entscheidung für die Location an der Michaelstraße eine Rolle gespielt haben. „Bald können wir mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren“, kündigt Martens an.