In Neuss werden weitere sechs Telefonzellen abgebaut

Die öffentlichen Fernsprecher werden kaum noch genutzt.

Foto: A. Woitschützke

Neuss. Die Suche nach den Letzten ihrer Art beginnt gleich um die nächste Straßenecke. Ziemlich abgenutzt steht der stumme Zeitzeuge des technischen Wandels da, silbern-metallisch, schmutzig, mit knallpinkem Hörer. Ein Dinosaurier, einst stolzes Vorzeigeobjekt, heute ein Relikt aus der Prä-Smartphone-Ära. 42 Telefonzellen gibt es derzeit noch im Neusser Stadtgebiet, doch das soll nicht mehr lange so bleiben: Die Telekom möchte sechs von ihnen abbauen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten. Stadtsprecher Peter Fischer bestätigt das. Falls die Telekom ihr Vorhaben umsetzt, würde die Zahl der Münztelefone in Neuss auf 36 sinken. Wieder ein paar weniger, denn der Abbau verläuft schleichend. In schöner Regelmäßigkeit weichen sie. Die Letzten ihrer Art verschwinden beinahe unbemerkt aus dem Stadtbild.

Das gute alte postgelbe Telefon-Häuschen ist in Neuss bereits Geschichte. Über Jahrzehnte hat es das Straßenbild geprägt — und war früher sogar etwas für Romantiker. Teenager schlichen sich dorthin, um ungestört von den Eltern mit der Freundin zu telefonieren. Verliebte nutzten es, um den Partner anzurufen, wenn sie sich zur Verabredung am Abend verspäteten. Und der Film „La Boum II — Die Fete geht weiter“ hat dem Telefon-Häuschen mit einer wunderbaren Szene sogar ein kleines popkulturelles Denkmal gesetzt. Nach einem Konzert flüchten sich Sophie Marceau und Pierre Cosso im strömenden Regen hinein. Das Telefon-Häuschen als Zufluchtsort. Mehr Teenager-Liebe als bei „La Boum“ gab’s im 1980er-Jahre-Kino nicht.

Jetzt werden die Telefonzellen immer mehr zum Museumsstück. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden die gelben Häuschen zunächst durch Telefonzellen in den Telekom-Unternehmensfarben magenta-weiß ersetzt, später dann durch silberne Telefonsäulen. Es waren Vorboten einer verblassenden Ära. Wer telefonierte, war fortan Wind und Wetter ausgesetzt. Und auch wenn die Telekom ihre Telefonsäulen als Multimediastationen ausstattete, nahm ihre Bedeutung immer weiter ab. Zurzeit sind laut Telekom in Deutschland rund 30 000 öffentliche Telefone in Betrieb, vor zehn Jahren waren es nach Angaben der Bundesnetzagentur noch 110 000 — und vor drei Jahren immerhin noch 48 000. Zugleich boomt der Smartphonemarkt. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut Branchenverband Bitkom 26,2 Millionen Geräte verkauft — ein Plus von 7,2 Prozent.

Kein Wunder, dass weder Telefon-Häuschen noch Telefonsäule keine allzu große Rolle mehr im Alltag spielen. In den Verkauf sollen die abgebauten öffentlichen Telefone übrigens nicht gehen. „Sie werden fachgerecht entsorgt“, erklärt ein Telekomsprecher.