Kinder begeistern mit Gesangs-Flashmob

Bei „Sing in’ Neuss“ bot sich bei unterschiedlichen Gelegenheiten die Chance zum Mitsingen.

Foto: Andreas Woitschützke

Neuss. Plötzlich tauchen sie aus dem Nichts auf: Geschützt vor dem strömenden Regen versammeln sich unter den Rathausarkaden blitzschnell etwa 35 Kinder und Jugendliche. Eine kleine Frau mit schwarzem Haar spricht leise zu ihnen — und dann fangen die Erst- bis Drittklässler ganz leise an zu singen, wiegen sich im Takt zu dem indianischen Volkslied „taino tee wakee ata“ („für die Erde singen wir, Steine, Pflanzen, Mensch und Tier“). Passanten bleiben stehen, spannen ihre Schirme zu und lauschen dem Kindergesang.

Diese spontane Darbietung des JeKi-Sti-Kinder- und Jugendchors der Musikschule Neuss unter Leitung von Iskra Ognyanova war einer von mehreren Flashmobs, die beim großen Singfest „Sing in‘ Neuss“ in der City aufgetreten sind. „Ziel war es, die Leute durch den spontanen Gesang zunächst zu irritieren, dann aber zu animieren, zum großen Abschlusskonzert ins Zeughaus zu kommen“, erklärt Holger Müller von der Musikschule Neuss.

Vor zwei Jahren haben die Bürgerstiftung Neuss (Bü.NE) und die Musikschule das Mitsingfest, damals noch als Open-Air-Konzert, das aber wegen des Regens buchstäblich ins Wasser fiel, erstmals veranstaltet. Danach fand das Abschlusskonzert — wie auch jetzt — im Zeughaus statt. „Wir wollen möglichst vielen Menschen eine Möglichkeit bieten, Spaß und Freude am Singen zu erleben“, sagt Dorothea Gravemann, Vorsitzende der Bürgerstiftung. So war es der wohl schönste Moment des Festes, als Holger Müller sich im Atrium des Zeughauses mit seiner Gitarre vors Mikro stellte und „Die Gedanken sind frei“ anstimmte. Schnell verteilte Gravemann die „Mundorgel“ an den immer stimmgewaltiger werdenden Chor der Besucher.

Das offene Singen galt eigentlich als Aufwärmprogramm für das große Mitsing-Konzert der Chöre, verkörperte aber die Idee des Singfests perfekt: Etwa 30 junge und ältere Frauen, Männer und Kinder ergriffen diese im Alltag eher seltene Gelegenheit des gemeinsamen Singens — erstaunlich sauber, textsicher und sogar mehrstimmig und im Kanon. Viele hätten diese gelungene Aktion des spontanen Singens mit Gleichgesinnten, die allen sichtlich gefiel, gerne weitergeführt.

Doch Holger Müller, der schon am Vormittag drei Konzerte mit insgesamt 600 Kindern aus dem Grundschulprogramm „Jedem Kind seine Stimme“ (JeKi-Sti) zum Zuhören und Mitsingen für Familien geleitet hatte, musste zum Höhepunkt des Singfests eilen: dem großen Mitsingkonzert von drei Chören. Dazu gehörten der gut gelaunte Jazzchor „Round-about“, der Kinder- und Jugendchor der Musikschule und der Jedermann-Chor der Behindertenhilfe der St. Augustinus-Kliniken.

„Singen ist gesund, inklusiv und partizipativ“, sagte Musikschulleiter Reinhard Knoll. Nach diesem Motto nahm der Jedermann-Chor das Publikum mit auf eine Singreise durch die 1960er-Jahre. Und am Ende schmetterten hunderte Kehlen den Evergreen „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“. Die Liebe zum Gesang der Neusser hält — das konnten alle hören.