Kinder verlernen das Spielen

Wegen zu hoher Nutzung von Medien geht das Miteinander beim Nachwuchs verloren.

Rhein-Kreis Neuss. Viele Kinder stehen nach Ansicht von Dr. Eckhard Schiffer unter einem deutlich zu hohen Leistungsdruck. „Es geht immer nur darum, der Beste zu sein“, sagte der Facharzt für Nervenheilkunde am Mittwoch bei einer Fachtagung des Rhein-Kreises Neuss zum Thema Suchtprävention in Kindertagesstätten und Grundschulen. Kinder entwickelten wegen des Wettbewerbscharakters in ihrem täglichen Leben oft Verhaltensauffälligkeiten und Sprachstörungen. Letztere würden durch einen überdurchschnittlichen hohen Medienkonsum verstärkt. 30 Prozent der Grundschulkinder seien bei ihrer Einschulung sprachgestört. „Im Schnitt liegt der Medienkonsum von Kindern bis 18 Jahren bei vier Stunden pro Tag“, ergänzte Dr. Michael Dörr, Leiter des Kreisgesundheitsamtes.

Laut Schiffer verlernen Kinder zunehmend, miteinander zu spielen. „Die Frage, wer der Superstar ist, macht das Spielen kaputt“, erklärte er. Ein erklärtes Ziel müsse es daher sein, die Kinder ohne einen solchen Zwang zu erziehen. Schiffer: „Wenn nie etwas gut genug ist, dann ist es auch nicht möglich, ein starkes Selbstwertgefühl zu entwickeln.“ Es sei daher wichtig, schöpferische Aktivitäten wie Singen und Malen zu fördern. „Dabei sollte aber auf keinen Fall die Qualität bewertet werden“, sagte Schiffer. Stattdessen sollten Eltern ihre Kindern bestärken und mit ihnen reden. Ein gutes Sprachgefühl könne sich nur entwickeln, wenn intensiv von Angesicht zu Angesicht miteinander gesprochen wird, was oft nicht stattfinde und die Beziehung negativ beeinflusse.

Schiffer kritisierte scharf, dass viele Eltern ihre Kinder mit ihren Ansprüchen überfordern. In der Grundschule über den Schulabschluss oder sogar das Studium nachzudenken, sei völlig abwegig. Schiffer: „Solche Eltern sind verrückt, weil sie viel zu früh in das Spielen eingreifen.“

Er ermutigte junge Mütter, ihren Kindern schon während der Schwangerschaft vorzulesen und nach der Geburt Gute-Nacht-Geschichten zu erzählen. „Dabei entsteht ganz viel Nähe, und die Beziehung ändert sich wunderbar ins Positive“, erklärte Schiffer.

Schiffer verwies zudem darauf, dass Erzieher und Lehrer besser auf ihre Aufgaben vorbereitet werden müssen. In Finnland würden Lehramtsstudenten vom ersten Semester an Praktika machen. Schiffer: „Da findet man schnell heraus, ob einem Kinder wichtig genug sind, um sie den Rest seines Berufslebens unterrichten zu wollen.“ Zudem forderte er, die Zahl der Lehrkräfte und Erzieher deutlich zu erhöhen.